Ärzte warnen vor hellen Scheinwerfern
Verkehr Wer kennt sie nicht, die grellen Blender? Die Industrie entwickelt immer intensivere Lichtquellen für Autos. Das kann für andere Verkehrsteilnehmer zum Problem werden
München Augenärzte sehen die immer helleren Autoscheinwerfer kritisch. „Ein Hochleistungsscheinwerfer gefährdet Verkehrsteilnehmer, weil sie nichts mehr sehen“, sagt Professor Bernhard Lachenmayr, Sprecher der Verkehrskommission des Bundesverbands der Augenärzte Deutschlands. Zudem würden die Menschen immer älter. „Das gibt Probleme, das ist gar keine Frage.“Blendet ein Scheinwerfer einen anderen Verkehrsteilnehmer, entstehe zwar kein Schaden am Auge, so Lachenmayr. Aber alle Entgegenkommenden verlieren erst einmal ihre Orientierung. 30- bis 40-Jährige würden für den Bruchteil einer Sekunde nichts mehr sehen. Bei 60- bis 70-Jährigen seien es sogar bis zu zwei Sekunden.
„Wir haben immer mehr ältere, aktive Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr“, warnt Lachenmayr. „Die haben ab 50 aufwärts immer mehr Probleme mit dem Dämmerungssehen.“Grund ist oft eine Linsentrübung, womit Objekte in der Dämmerung schlechter erkannt werden können.
„Auf der einen Seite haben wir also extrem helle Leuchten, auf der Seite viele Fahrer, die Probleme mit dem Dämmerungssehen haben.“Das Ausmaß der Blendung hänge von zwei Dingen ab, so Lachenmayr. „Das Erste ist die sogenannte Leuchtdichte der Lichtquelle.“Moderne Leuchten haben eine Stärke von weit mehr als 1000 Candela pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Normale Bildschirme erreichen bis zu 200 Candela pro Quadratmeter.
Die Tendenz gehe zudem aus Design-Gründen hin zu kleineren Leuchtquellen innerhalb der Scheinwerfer. „Je kleiner die Leuchtquelle, desto höher die Blendwirkung“, warnt Lachenmayr. „Diese beiden Dinge addieren sich“, so der Augenarzt. „Der unbeteiligte Verkehrsteilnehmer ist der Leidtragende.“
Auch die Autoindustrie ist sich des Problems bewusst und versucht, Lösungen zu finden. Die Hersteller stecken seit Jahren immer mehr Aufwand in die Scheinwerferentwicklung. Blendfreies Fernlicht hält Einzug in die ersten Modelle der Autohersteller. „Wenn das mit den intelligenten Scheinwerfern funktioniert, ist das super“, sagt Lachen- mayr. Dank der für Fahrerassistenzsysteme in Autos eingebauten Sensoren sollen die Scheinwerfer sich in Teilbereichen automatisch ausschalten, wenn Autos, aber auch Fahrradfahrer oder Fußgänger entgegenkommen. Der Leuchtenhersteller Osram beispielsweise arbeitet mit Autoherstellern daran, die LEDs immer exakter zu machen. Daimler arbeitet parallel an hochmodernen LED-Scheinwerfern, die sogar Bilder auf die Straße projizieren können.
Das digitale Licht ist allerdings bislang nur für die Fernlicht-Funktion gedacht – und funktioniert entsprechend nicht in der Stadt. Flächendeckend durchsetzen dürften sich die intelligenten Scheinwerfer auch erst in einigen Jahren.
Dabei müssen auch neue Scheinanderen werfer den gesetzlichen Vorschriften – also der Straßenverkehrsordnung – entsprechen. Für Änderungen und Anpassungen würden Forschungsprojekte durchgeführt, heißt es bei der Bundesanstalt für Straßenwesen. Somit ging die Anpassung der Vorschriften immer einher mit der Scheinwerfer-Weiterentwicklung, um eine optimale Ausleuchtung bei möglichst geringer Blendung zu gewährleisten.
Bei der jährlichen Lichttestaktion des ADAC im Oktober wurde die Helligkeit der Scheinwerfer bislang nicht getestet. Die falsche Einstellung der Scheinwerfer, die unter Umständen ebenfalls zu Blendeffekten führe, sei aber eine der häufigsten Fehlerquellen, sagte Helmut Klein vom Technischen Zentrum des ADAC in Landsberg. An gut einem Drittel der Fahrzeuge stimmte die Einstellung nicht. Das liege vor allem daran, dass die Autos im Straßenverkehr im Schnitt neun Jahre alt seien. Häufig seien schlicht die Einstellmöglichkeiten defekt oder schwergängig, andere Ursachen seien getauschte Lampen, bei denen keine Scheinwerfereinstellung erfolgt. Annika Grah, dpa
„Auf der einen Seite haben wir extrem helle Leuchten, auf der anderen Seite Fahrer, die Probleme mit dem Dämmerungssehen haben.“
Professor Bernhard Lachenmayr, Augenarzt