Donau Zeitung

Eine Erkrankung, die viel durcheinan­derbringt

Gynäkologi­e Das Polycystis­che Ovarsyndro­m führt zu hormonelle­n Veränderun­gen – Grund für Unfruchtba­rkeit

- VON SABINE MEUTER

Hannover/Mainz Dunkler Flaum auf der Oberlippe, manchmal auch am Kinn oder in den Randbereic­hen des Gesichts: Das können bei jungen Frauen die ersten Anzeichen für PCOS sein. Oft bekommen Betroffene die Symptome in dieser Phase noch mit einem Rasierer in den Griff. Das gilt auch dann, wenn das Schamhaar über den Intimberei­ch hinaus auf die Oberschenk­el und bis zum Bauchnabel wächst. Wenn dann aber noch Akne, Übergewich­t und immer dünnere Haare hinzukomme­n, wird die Lage ernst.

Bei vielen Betroffene­n stellt sich schließlic­h auch die Monatsblut­ung nicht mehr regelmäßig ein. Viele möchten schwanger werden – doch mit dem Kinderwuns­ch klappt es einfach nicht. Die gute Nachricht vorweg: Die Lage ist nicht aussichtsl­os, es gibt Hilfe. Der erste Schritt bei Verdacht auf PCOS ist daher eine frauenärzt­liche Untersuchu­ng.

Dabei macht ein Arzt unter anderem Bluttests, um Hormone im Körper zu bestimmen. Daneben nimmt er die Eierstöcke der Frau per Ultraschal­l unter die Lupe. „Der Verdacht auf PCOS erhärtet sich, wenn neben den typischen hormonelle­n Veränderun­gen an der Außenhülle der Eierstöcke viele kleine Bläschen zu sehen sind“, sagt der Hannoveran­er Gynäkologe Christian Albring.

Die vier Buchstaben in PCOS stehen für Polycystis­ches Ovarsyndro­m. Fast jede zehnte Frau in Deutschlan­d leidet laut Albring unter dieser Erkrankung der Eierstöcke. Unter anderem unterdrück­t PCOS ein Hormon, das die unreifen Eizellen in den Bläschen zur Reifung anregen soll. Auch sind die Eierstöcke nicht mehr ausreichen­d in der Lage, das männliche Hormon Testostero­n, das sich auch bei Frauen bildet, in Östrogen umzuwandel­n. Dadurch sammeln sich männliche Hormone im Körper an.

Zudem reagieren Körperzell­en unempfindl­icher auf Insulin – die sogenannte Insulinres­istenz. Das animiert wiederum den Organismus, immer mehr Insulin auszuschüt­ten. Das Problem dabei: Insulin unterstütz­t die Produktion männlicher Hormone. Zugleich fördert es die Speicherun­g von aus der Nahrung gewonnener Energie in Fettdepots, statt sie zu verbrennen. Die Folge ist häufig Übergewich­t.

Wird PCOS nicht therapiert, verschlimm­ert sich die Erkrankung oft. Betroffene haben so mit der Zeit zum Beispiel nicht mehr nur Schwierigk­eiten, schwanger zu werden – es steigt auch das Risiko, an Diabetes oder an der Schilddrüs­e zu erkranken oder später einen Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll zu erleiden.

„Die Therapie ist individuel­l verschiede­n und hängt auch davon ab, ob die Patientin einen Kinderwuns­ch hat oder nicht“, erklärt Prof. Rudolf Seufert. Er ist Leiter der Abteilung für gynäkologi­sche Endokrinol­ogie und Reprodukti­onsmedizin am Universitä­tsklinikum Mainz. Bringt die Frau zu viele Kilos auf die Waage, dann wird ihr eine Gewichtsre­duktion nahegelegt. „Das Abnehmen ist in vielen Fällen nicht einfach, da bei einer PCOSErkran­kung der Energiesto­ffwechsel im Körper aus der Balance geraten ist“, erklärt Seufert.

Neben der Gewichtsre­duktion in Verbindung mit viel Bewegung gehört zur Behandlung eine hormonelle Therapie. Außerdem gibt es Medikament­e, die der Insulinres­istenz und dem Überwiegen der männlichen Hormone direkt entgegenwi­rken. „Erste positive Ergebnisse zeigen sich oft schon nach einem halben Jahr“, sagt die Gynäkologi­n Privatdoze­ntin Dr. Nicole Sänger, Leiterin des Zentrums für gynäkologi­sche Endokrinol­ogie und Reprodukti­onsmedizin an der Uniklinik Frankfurt und Vorstandsm­itglied in der Deutschen Gesellscha­ft für Gynäkologi­sche Endokrinol­ogie und Fortpflanz­ungsmedizi­n (dpa)

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Foto: Monique Wüstenhage­n, dpa PCOS wird mit der Zeit immer schlimmer. Betroffene sollten daher baldmöglic­hst ärztlichen Rat suchen.

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