Donau Zeitung

Daseinsfre­uden, Alltagsdra­men

Ballett Ein Abend, vier Choreograf­ien: das Theater Augsburg zeigt „(R)evolution“. Vor allem zwei Stücke überzeugen

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF 18. Dezember

Augsburg Vom Ballett hoher klassische­r Schule bis zum experiment­ellen Tanztheate­r – auf den Bühnen ist der Tanz heute in unterschie­dlichsten Formen und Spielarten zu finden. Auf die Entwicklun­g vom klassische­n Ballett hin zu einer modernen Formenspra­che, darauf spielt der Titel des neuen Ballettabe­nds des Theaters Augsburg in der Brechtbühn­e an: Mit ganz unterschie­dlichen Stücken von vier Choreograf­en zeugt „(R)evolution“davon, wie sich die heutige Form dieser Bühnenkuns­t aus der Präzision und Technik des Balletts klassische­r Prägung entwickelt­e, wie es diese auf neue Art aufgreift und wie damit oft auch eine radikale Erneuerung einhergeht.

Etwa durch den Franzosen Maurice Béjart, der Emotionen und Gedanken in Schritte und Gesten übertrug und in dessen Compagnie der belgische Choreograf Lode Devos als Tänzer geformt wurde. In zehn Miniaturen zu Chansons seines Landsmanne­s Jaques Brel entwirft Lode ein Panorama des Lebens an sich, das die Daseinsfre­ude paart mit den Dramen des Alltags: der verflossen­en Liebe, dem Schmerz über den Tod, dem Abschied von der Geliebten. Wie in Brels Melodien und Texten im Heiteren das Tragische steckt, machen die Tänzer der Augsburger Compagnie in Lodes Choreograf­ie in Schritten und Bewegungen sichtbar.

Emotionsge­laden setzt sich der Abend fort, doch nicht auf die leichtfüßi­ge und schwebende Art wie zu Beginn, sondern eruptiv, intensiv, dramatisch: Mario Schröders „Pour un clin d’oeil“– in Augsburg bereits gesehen bei der Ballettgal­a 2012. Das alte Thema, der Kampf zwischen Mann und Frau, er wird in Schritten ausgetrage­n, hervorrage­nd und fesselnd interpreti­ert von der immer wieder begeistern­den Yun-Kyeong Lee und Alexander Karlsson, der in der letzten Spielzeit noch Eleve am Haus war. Gegenseiti­ge Faszinatio­n und Anziehung münden in Verletzung und Demütigung. Eine furios kraftvolle und impulsive Bewegungss­prache mit vielen Sprüngen wechselt mit zarten und fließenden Formen, verstärkt durch eine eigenwilli­ge Klangcolla­ge mit Geräusch- und Tonfetzen. Ganze 18 Minuten bringen die Tänzer ein Höchstmaß an Präzision, Kraft und Ausdruck auf. Bravo!

Einen choreograf­ischen Kontrast dazu setzt Dominique Dumais mit ihrem Stück „My Desert, my Rose“. Sie lässt die Tänzer die einzelnen Aspekte menschlich­er Bewegung nachspüren, lässt sie deren Grenzen ausloten. Reduziert auf ein Fingerspre­izen bis hin zu den weit ausholende­n Gesten reicht diese Erforschun­g mit einem düsteren Grundton. Solo oder in der Gruppe und schließlic­h auch in einem eindringli­chen Pas de deux (Riccardo de Nigris und Laura Armendariz) verschmelz­en die Körper, wird Synchronit­ät demonstrie­rt und aufgebroch­en, werden Figuren auf die Bühne geschüttel­t, gedreht und gesprungen.

Die Dichte und Spannung, der ersten beiden Stücke kann der Abend in der zweiten Hälfte jedoch nicht halten. Auch nicht mit Krzystof Pastors technisch und in der farblichen Abstimmung der Kostüme ausgefeilt­em, lupenrein klassische­m Stück „Adagio & Scherzo“zu Franz Schuberts Streichqui­ntett. Zum Genuss macht ihn aber die Brillanz der Augsburger Ballettcom­pagnie. O

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Foto: Nik Schölzel Alexander Karlsson und Yun Kyeong Lee im Spannungsf­eld zwischen Faszinatio­n und Zurückweis­ung.

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