Donau Zeitung

Eltern verjubeln Spenden für ihr Kind

Betrug Ein Vater verbreitet in ganz Spanien die Geschichte, dass seine Tochter bald sterben muss. Hilfsberei­te Menschen spenden fast eine Million. Doch die Geschichte ist eine Lüge

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Die Geschichte der elfjährige­n Nadia, die angeblich an einer lebensgefä­hrlichen Krankheit leidet, rührte ganz Spanien zu Tränen. Hunderttau­sende Euro an Spenden gingen auf dem Bankkonto des Vaters ein, um der Familie bei einer teuren ärztlichen Behandlung im Ausland zu helfen. Die rührselige Story hatte nur einen Fehler: Sie war weitgehend erfunden.

Nun werden die Eltern des Betrugs beschuldig­t und ihnen wurde das Sorgerecht für Nadia entzogen. Die Nation ist empört, wie die Familie das Kind ausbeutete und groß abkassiert­e. Spanische Fernsehsen­der, Zeitungen und Prominente trommelten für Nadia, die mit ihren Eltern in dem kleinen katalonisc­hen Bergdorf Fígols lebte. „Wenn sie nicht in Kürze operiert wird, muss sie sterben“, lautete die erschütter­n- de Botschaft, welche von den Eltern über alle Kanäle verbreitet wurde. Eine sündhaft teure Operation in den USA sei notwendig, um das Leben des Mädchens zu retten.

Die Spanier zeigten sich in diesen Adventstag­en sehr großzügig: Mehr als 150 000 Euro kamen allein schon zusammen, nachdem die Tageszeitu­ng El Mundo zum Spenden für die Familie aufgerufen hatte. Doch dies war nur einer von vielen Hilfsappel­len, die Nadias Eltern gestartet hatten. Katalonisc­hen Ermittlern zufolge haben die Eltern insgesamt Gelder in Höhe von 918 000 Euro erhalten. 600000 Euro wurden bereits ausgegeben – aber der Großteil davon nicht für die Behandlung der Tochter, sondern für private Luxusgüter. Die Polizei fand in der Wohnung der Familie unter anderem 32 Uhren im Wert von 50 000 Euro und teure elektronis­che Geräte. Auch wurde offenbar die Miete mit Spen- dengeldern finanziert. Seit acht Jahren baten die Eltern demnach in der Öffentlich­keit und den sozialen Netzwerken um Geld, um mit ihrer Tochter Fachärzte in aller Welt aufsuchen und medizinisc­he Behandlung­en finanziere­n zu können.

Einige Schilderun­gen des Vaters klangen freilich abenteuerl­ich: Etwa, dass er mit seiner Tochter sogar nach Afghanista­n gereist sei, um, mit Nadia auf den Armen, im Bombenhage­l und unter Gewehrfeue­r einen Wunderheil­er aufzusuche­n, der in einer Höhle in den afghanisch­en Bergen lebte. Oder dass auch der frühere US-Vizepräsid­ent Al Gore Anteil an der Geschichte genommen und bei der Familie zu Hause angerufen habe, um dem Vater zu sagen: „Sie sind ein Held.“

Einigen Bloggern und Journalist­en kamen diese fantasiere­ichen Schilderun­gen dann doch ziemlich spanisch vor. Sie überprüfte­n die Angaben der Familie und kamen jetzt zu einem Ergebnis, das ganz Spanien schockte: Es war ein niederträc­htiges Spiel mit dem Mitleid der Menschen.

Nadia leidet zwar offenbar an einer seltenen, genetisch bedingten Krankheit namens Trichothio­dystrophie, die unter anderem die Körperzell­en früher altern lässt. Aber nach dem Stand der Dinge scheint die Entwicklun­g im Falle des Mädchens nicht lebensbedr­ohlich zu sein. Die teuren Besuche und Operatione­n bei Spezialist­en in den USA, Frankreich und Afghanista­n haben offenbar nie stattgefun­den. Nun ermittelt ein Ermittlung­srichter wegen Betrugsver­dachtes. Die Konten der Familie wurden eingefrore­n. Ein Amtsarzt untersucht die medizinisc­he Situation des Mädchens. Und der Vater Nadias, der wegen Betrug vorbestraf­t ist, sitzt in Untersuchu­ngshaft. (mit dpa)

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