Selbst reguliert sich der Fußball nicht
Diesen Ansatz zu wählen, ist wahrlich interessant. Dass die Begegnung zwischen Hoffenheim und Frankfurt mitunter an eine Kneipenschlägerei erinnerte, rechtfertigten die Trainer Nagelsmann und Kovac damit, der Schiedsrichter habe nicht frühzeitig eingegriffen. Habe Verwarnungen nicht ausgesprochen und den Profis auf dem Rasen keine Leitplanken gesetzt. Im rechtsfreien Raum bahnten sich Ellenbogen den Weg ins Gesicht, hinterließen Stollen Abdrücke auf Waden.
Ähnlich verfuhren die Protagonisten am jüngsten Spieltag auch in anderen Bundesligastadien, in Hamburg oder Köln etwa. Die Kicker setzten verstärkt auf Grundtugenden ihres Sports, auf Kampf und Einsatz, auf kratzen und beißen. Die Grenzen des Erlaubten überschritten sie dabei geflissentlich. Was Amateure mit tiefem Geläuf und schlechtem Wetter begründen, erklären Profis mit Abstiegsängsten und der Rangelei um internationale Startplätze und Meisterschaft.
Abseits des Rasens gehen die Scharmützel meist weiter. Bleibt ein Schiedsrichterpfiff aus, rumpeln Trainer und Funktionäre Richtung Rasen. Schimpfen, gestikulieren und motzen. Spätestens jetzt ist das Publikum aufgewiegelt, ätzt und beleidigt. Gefühlt haben die Wortgefechte zwischen den Spielerbänken sogar noch zugenommen, seit der vierte Schiedsrichter am Spielfeldrand wirkt. Beabsichtigt war das so nicht.
Einmal mehr zeigt sich: Auf Selbstregulierung zu setzen, macht keinen Sinn. Lockere Zügel enden in Ausreißversuchen. Manchmal weisen die Trainer ihre Mannschaft gar an, den Hitzkopf des Gegners gezielt zu reizen. Für den Erfolgszweck ist jedes Mittel recht, geht ja schließlich um viel.
Fest steht: Niemand strebt ein emotionsloses Gekicke an. Gefühlsausbrüche verdeutlichen, wie leidenschaftlich Trainer und Spieler ihrem Beruf nachgehen. Ebenso sind Fouls Teil des Spiels, sofern sie nicht böswillig eingesetzt werden. Dass die Gangart auf dem Rasen mal ruppiger ist – kann ebenso passieren.
Allerdings sollten Spieler und Verantwortliche Fairplay nicht nur predigen, sie sollten sich daran halten. Praktiziert wird das selten. Entscheidend ist die Außenwirkung. Allgemein sinkt die Hemmschwelle, Eigennutz und Ellenbogeneinsatz werden vorgelebt, um im Leben voranzukommen.
Fußball mag vordergründig Unterhaltung sein, seine Außenwirkung indes ist enorm. Umso schlimmer, wenn raue Sitten Einzug halten, wenn Fratzen schimpfender Trainer Bildschirme erobern.
Zumindest dies scheint Hoffenheims Nagelsmann eingesehen zu haben. Er verurteilte den Ellenbogenschlag gegen seinen Spieler Wagner, betonte die Vorbildfunktion. Gerne hätte man von ihm auch gehört, dass der Schiedsrichter nicht alleinig für die Eskalation auf dem Rasen verantwortlich war.