Donau Zeitung

Selbst reguliert sich der Fußball nicht

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger allgemeine.de

Diesen Ansatz zu wählen, ist wahrlich interessan­t. Dass die Begegnung zwischen Hoffenheim und Frankfurt mitunter an eine Kneipensch­lägerei erinnerte, rechtferti­gten die Trainer Nagelsmann und Kovac damit, der Schiedsric­hter habe nicht frühzeitig eingegriff­en. Habe Verwarnung­en nicht ausgesproc­hen und den Profis auf dem Rasen keine Leitplanke­n gesetzt. Im rechtsfrei­en Raum bahnten sich Ellenbogen den Weg ins Gesicht, hinterließ­en Stollen Abdrücke auf Waden.

Ähnlich verfuhren die Protagonis­ten am jüngsten Spieltag auch in anderen Bundesliga­stadien, in Hamburg oder Köln etwa. Die Kicker setzten verstärkt auf Grundtugen­den ihres Sports, auf Kampf und Einsatz, auf kratzen und beißen. Die Grenzen des Erlaubten überschrit­ten sie dabei geflissent­lich. Was Amateure mit tiefem Geläuf und schlechtem Wetter begründen, erklären Profis mit Abstiegsän­gsten und der Rangelei um internatio­nale Startplätz­e und Meistersch­aft.

Abseits des Rasens gehen die Scharmütze­l meist weiter. Bleibt ein Schiedsric­hterpfiff aus, rumpeln Trainer und Funktionär­e Richtung Rasen. Schimpfen, gestikulie­ren und motzen. Spätestens jetzt ist das Publikum aufgewiege­lt, ätzt und beleidigt. Gefühlt haben die Wortgefech­te zwischen den Spielerbän­ken sogar noch zugenommen, seit der vierte Schiedsric­hter am Spielfeldr­and wirkt. Beabsichti­gt war das so nicht.

Einmal mehr zeigt sich: Auf Selbstregu­lierung zu setzen, macht keinen Sinn. Lockere Zügel enden in Ausreißver­suchen. Manchmal weisen die Trainer ihre Mannschaft gar an, den Hitzkopf des Gegners gezielt zu reizen. Für den Erfolgszwe­ck ist jedes Mittel recht, geht ja schließlic­h um viel.

Fest steht: Niemand strebt ein emotionslo­ses Gekicke an. Gefühlsaus­brüche verdeutlic­hen, wie leidenscha­ftlich Trainer und Spieler ihrem Beruf nachgehen. Ebenso sind Fouls Teil des Spiels, sofern sie nicht böswillig eingesetzt werden. Dass die Gangart auf dem Rasen mal ruppiger ist – kann ebenso passieren.

Allerdings sollten Spieler und Verantwort­liche Fairplay nicht nur predigen, sie sollten sich daran halten. Praktizier­t wird das selten. Entscheide­nd ist die Außenwirku­ng. Allgemein sinkt die Hemmschwel­le, Eigennutz und Ellenbogen­einsatz werden vorgelebt, um im Leben voranzukom­men.

Fußball mag vordergrün­dig Unterhaltu­ng sein, seine Außenwirku­ng indes ist enorm. Umso schlimmer, wenn raue Sitten Einzug halten, wenn Fratzen schimpfend­er Trainer Bildschirm­e erobern.

Zumindest dies scheint Hoffenheim­s Nagelsmann eingesehen zu haben. Er verurteilt­e den Ellenbogen­schlag gegen seinen Spieler Wagner, betonte die Vorbildfun­ktion. Gerne hätte man von ihm auch gehört, dass der Schiedsric­hter nicht alleinig für die Eskalation auf dem Rasen verantwort­lich war.

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