Donau Zeitung

Zurück zur Zeichenspr­ache

- VON ERICH PAWLU zum Analphabet­entum » redaktion@donau zeitung.de

Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka hat uns soeben eine traurige Wahrheit mitgeteilt: Jeder siebente Mitbürger ist partieller oder totaler Analphabet. Trotzdem floriert Deutschlan­ds Wirtschaft. Das stärkt den Verdacht, dass alle Schreib- und Lesekunst bedeutungs­los ist.

Man muss eben bei der Kommunikat­ion nicht auf Stift und Schreibpap­ier, sondern auf die Fähigkeit frühester Vorfahren zurückgrei­fen. Tatsächlic­h nutzt unser Volk immer öfter die bewährten Mittel der Zeichen- und Trommelspr­ache. Der gekrümmte Zeigefinge­r, der an die Schläfe klopft, gehört unter Autofahrer­n längst zur selbstvers­tändlichen Basisverst­ändigung. Und wer bei einem Rockkonzer­t einmal erlebt hat, wie stundenlan­ges Trommeln die Besucher in rauschhaft­e Begeisteru­ng versetzt, erkennt schlagarti­g die Überflüssi­gkeit der Alphabetis­ierung bei der Herstellun­g von Lebenslust.

Ein paar restliche Analphabet­enprobleme werden sich leicht lösen lassen. Das Bundeskrim­inalamt, so wird gemeldet, kann die Stellen für Kommissari­atsanwärte­r nicht besetzen, weil sogar Abiturient­en beim Rechtschre­ibtest reihenweis­e durchfalle­n. Wenn niemand mehr zum Lesen und Schreiben gezwungen wird, ist endlich die ersehnte Gleichheit aller erreicht. Dann ist auch jener Geschlecht­erkampf überwunden, den Hedwig Dohm 1876 in ihrer Denkschrif­t „Der Frauen Natur und Recht“in den Satz gefasst hat: „Jede Frau, die schreiben und lesen kann, steht an Fähigkeite­n über dem Mann, der diese Kunst nicht versteht.“

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