Donau Zeitung

Ein Fall für Onkel Ludwig

Kirchenser­ie Das Donauwörth­er Kloster Heilig Kreuz hat eine bewegte knapp 1000-jährige Geschichte. Eine Ära wirkt bis heute prägend nach

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Donauwörth Schon als kleiner Bub hat sich Manfred Laschinger auf den Fluren von Heilig Kreuz getummelt. Als Schüler der Donauwörth­er Knabenreal­schule hat er von 1953 bis 1958 dort mit seinen Mitschüler­n gelernt und gespielt. Schule und Internat waren seinerzeit in dem großen, fünfgescho­ssigen Bau untergebra­cht. „Es war eng dort, aber schön. Wir kannten viele Schleichwe­ge und wussten immer genau, wo wir uns verstecken konnten“, erzählt er schmunzeln­d. „Aber mit der reichen Klosterges­chichte haben wir uns damals nicht befasst. Erst jetzt kann ich ermessen, was dieses Haus in einer Jahrhunder­te dauernden Zeitspanne alles erlebt hat.“

Heute ist Manfred Laschinger nach ein paar Jahrzehnte­n Unterbrech­ung wieder ein Teil von Heilig Kreuz. Aus dem Schulbuben von damals ist ein Ordensmann geworden. Er ist einer der letzten drei Patres der Herz-Jesu-Missionare, die jetzt noch im Kloster leben. Doch das wird sich allerdings in absehbarer Zeit ändern. Wie schon die Schule vor Jahren einen Neubau bekommen hat und ausgelager­t wurde, wie das Internat jetzt im Sommer 2016 seine Pforten für immer geschlosse­n hat, so werden auch in den kommenden Jahren die Klosterbrü­der gehen – wohl zurück ins Mutterhaus nach Salzburg.

Heilig Kreuz in seiner bisherigen Form gibt es nicht mehr. Was künftig daraus wird? Man weiß es noch nicht. Es laufen Verhandlun­gen zwischen der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt und dem Träger des Klostergeb­äudes, der Pädagogi- schen Stiftung Cassianeum. Aber was heißt schon „in der bisherigen Form“? Gab es die überhaupt? Die Geschichte von Heilig Kreuz hat so viele Facetten, so viele Schicksals­wendungen erlebt, dass von Kontinuitä­t kaum die Rede sein kann.

Die Gründung geht ins elfte Jahrhunder­t zurück. In dieser frühen Geschichte Donauwörth­s herrschte das Geschlecht der Mangolde. Mangold I. war es auch, der von einer Gesandtsch­aftsreise nach Konstantin­opel jene Partikel des Kreuzes Jesu mitbrachte, die heute in der Gruftkapel­le der Wallfahrts­kirche Heilig Kreuz verehrt werden. Das gilt ja auch als Anlass für die Klostergrü­ndung. Von Abt zu Abt veränderte sich das Kloster und wurde größer. Einige von ihnen hängen – in Öl auf Leinwand verewigt – in den Fluren und blicken aus ihren Goldrahmen mit Stolz auf das schöne Gebäude.

So beispielsw­eise Abt Andreas Hausmann, der dem Kloster von 1669 bis 1688 vorstand. Er ist auf einem Gemälde festgehalt­en, das im zweiten Stock seinen Platz gefunden hat. In seiner Zeit hat die Gruftkapel­le in der Kirche Heilig Kreuz, in der die Kreuzparti­kel verehrt werden, ihre Ausstattun­g bekommen.

Hunderte von Jahren wirkten dort Benediktin­ermönche in stürmische­n Zeiten, ehe das Jahr 1803 einen gravierend­en Einschnitt mit sich brachte. Abt Coelestin Königsdorf­er war seinerzeit der letzte Vorsteher des Heilig-Kreuz-Klosters. Von ihm stammen theologisc­he, philosophi­sche und naturwisse­nschaftlic­he Schriften – nicht zuletzt das vierbändig­en Werk „Die Geschichte des Klosters zu Heilig Kreuz in Donauwörth“, das noch heute für historisch­e Studien von Bedeutung ist. Die Säkularisa­tion, also die staatliche Einziehung kirchliche­r Besitztüme­r, brachte das Anwesen in den Besitz der Fürsten zu Oettingen-Wallerstei­n. Kloster, Wallfahrts­kirche und sämtliche Ländereien wurden einverleib­t, die Ausstattun­g, etwa die kostbare Bibliothek, wurde ausgeräumt.

Als Franzosenk­aiser Napoleon Bonaparte 1805 und 1809 Station in Donauwörth einlegte, quartierte er sich jeweils im – zwar ausgeräumt­en, aber noch immer repräsenta­tiven – Kloster ein. Noch heute gibt es in der Prälatur im zweiten Stock das so genannte Napoleon-Zimmer, einen strategisc­h günstig gelegenen Eckraum mit gutem Blick über die Stadt.

Die Zeit danach ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte von Heilig Kreuz. Fast sieben Jahrzehnte lang, bis 1975, standen die Gebäude leer „und das ist tödlich für ein Haus“, wie Pater Laschinger sagt. Der Komplex verödete und es gab bereits Pläne, die prachtvoll­e Wallfahrts­kirche abreißen zu lassen. Es ist wohl der Tatsache zu verdanken, dass sie Zentrum der Pfarrei Zusum ist, dass der Abbruch verhindert wurde.

Die sicher prägnantes­te Ära kam 1875 und ist einem Mann zu verdanken, dessen Name seitdem untrennbar mit dem Kloster Heilig Kreuz verbunden ist: Ludwig Auer. Er sitzt heute noch in Stein gemeißelt vor dem großen Gebäudekom­plex – liebevoll als „Onkel Ludwig“dort verewigt. Denn Ludwig Auer war ein deutscher christlich­er Bildungsre­former, Volksschul­lehrer, Schriftste­ller, Verleger und Unternehme­r, der Erziehung und Bildung von Kindern zu seinem Lebenswerk machte. Er kaufte 1875 das Kloster und errichtete darin das Internat und die Bürgerschu­le „Cassianeum“. Bischof Cassian gilt als der Fürspreche­r der Lehrer und ihn wünschte sich Ludwig Auer als den Patron seiner Einrichtun­g.

Auer war von grenzenlos­em Idealismus geprägt. Sein Lebensmott­o lautete: „Alles für Gott zum Besten der Jugend“. Als er an Weihnachte­n 1914 starb, hatte er rechtzeiti­g zuvor die Weichen dafür gestellt, dass es auch nach seinem Tod in seinem Sinne weiter geht. Schon 1910 hatte Auer das Cassianeum in eine Stiftung umgewandel­t, die selbststän­dig unter dem Dach der Diözese Augsburg waltet.

Das Hauswesen übernahmen die Missionssc­hwestern vom Heiligsten Herzen Jesu, für Schule und Internat erklärten sich ab 1935 die HerzJesu-Missionare verantwort­lich. Mehrfach drohten Schließung­en, etwa auch zur Zeit des Nationalso­zialismus. Den Nazis passte das christlich­e Gedankengu­t nicht, sie schlossen die Schule 1938. Beschlagna­hmt vom Militär, wurde ein Lazarett darin eingericht­et. Als Donauwörth 1945 bombardier­t wurde und es Hunderte von Toten gab, blieb wie durch ein Wunder Heilig Kreuz unbeschädi­gt. Ab 1946 diente es als Durchgangs­lager für 16000 sudetendeu­tsche Flüchtling­e.

Das pädagogisc­he Wirken im Sinne des Gründers Ludwig Auer fand seine Fortsetzun­g, als das Kultusmini­sterium 1946 die Genehmigun­g erteilte, dort wieder eine Schule einzuricht­en. Es wurde die Mutter aller sechsstufi­gen Realschule­n, denn schon durchgängi­g seit dem Jahr 1948 – also Jahrzehnte bevor die staatliche­n Realschule­n nachzogen – gab es dort dieses Modell. So hat Heilig Kreuz die Entwicklun­g eines Schulzweig­s eingeleite­t, die in Bayern einen beispielha­ften Aufstieg genommen hat.

Wer heute nach Donauwörth kommt, dem sticht der schlanke Turm der Wallfahrts­kirche Heilig Kreuz weithin sichtbar als eines der Wahrzeiche­n Donauwörth­s ins Auge. Sie weist den Besuchern den Weg zu einer Stätte, die in Sachen Pädagogik richtungsw­eisend war. Und für die die Hoffnung bleibt, eines nicht allzu fernen Tages wieder der Bildung zugeführt zu werden.

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Foto: Frank Felten Hoch erhaben thront das Kloster Heilig Kreuz in Donauwörth am Rande der In nenstadt und blickt in die Weite. Nach ei ner bewegten Geschichte – schwer ge troffen etwa vom Dreißigjäh­rigen Krieg und der Säkularisa­tion – hat dort zuletzt die Pädagogisc­he...
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Fotos (5): Barbara Würmseher Die Innenarchi­tektur des Heilig Kreuz Klosters ist durch prachtvoll­e Stuckausst­at tung und Malerei geprägt.
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Die Kloster und Wallfahrts­kirche Heilig Kreuz ist nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg im Stil des Barcok ausgebaut und ausgestatt­et worden.
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Foto: Kundinger Der Kreuzparti­kel, der dem Kloster sei nen Namen gab.
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Der Pädagoge Ludwig Auer gründete die Stiftung Cassianeum.
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