Der scheue Reifenhändler
Porträt ATU-Gründer Peter Unger soll nicht einmal einen Ölstab ordentlich herausziehen können. Und wurde dennoch zu einem der reichsten Deutschen
Wenn man sich Peter Unger als ein Auto vorstellt, dann wäre er ein Golf TDI: kompakt gebaut, blitzschnell und voller Drehmomente. Diesen Vergleich zieht der Spiegel. Der Gründer der Werkstattkette „Autoteile Unger“(ATU) gibt sich dem Magazin gegenüber ungewöhnlich offen, als er zum Beispiel zugibt, dass er für das Geschäft mit Autoteilen „eher ungeeignet“sei. „Ich kann nicht einmal g’scheid ein Ölstaberl ’nausziehen“, verrät er.
Das ist wohl falsche Bescheidenheit. Denn der Selfmade-Mann, der 1944 als Sohn einer Vertriebenenfamilie im Sudetenland geboren wurde und seine Kindheit in Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz verbrachte, steht 2007 auf der Liste der reichsten Deutschen auf Platz 49. Das Kaufmannshandwerk lernt Unger im Süßwaren- und Lebensmittelladen der Familie. Handeln wird zu seiner Passion. Er steigt aber nicht in den Familienbetrieb ein, sondern eröffnet vier Reifenläden. „Man muss schließlich Auto fahren, ohne Auto ist man verloren“, begründet der heute 72-Jährige das. Die Läden laufen gut. Das liegt vor allem daran, dass Unger mit den Kunden gerne herumblödelt. „Wenn die Leute schon Geld ausgeben, dann sollen sie dabei Spaß haben“, sagt er.
1985 genügt ihm das Geschäft mit den Reifen nicht mehr. Und er tut etwas, das ihn als exzellenten Geschäftsmann auszeichnet: Überzeugt von seiner Idee, einen Autozubehör-Shop und eine Werkstatt für alle Marken in einem Haus zu vereinen, finanziert er mit seinem Privatvermögen und geliehenem Geld ein Lager für 15 Millionen Mark, ordert Ware für 35 Millionen und rekrutiert hunderte Mitarbeiter – und das, bevor er den ersten Laden eröffnet hat. Die Leute erklären ihn für verrückt, doch Unger glaubt an das Geschäftsmodell. „A Birnl, a Rücklicht, a Lackspray – das braucht doch jeder.“Auf dieser Logik basiert seine Risikobereitschaft. 1986 eröffnet schließlich die erste Filiale in Aschaffenburg, damals noch unter dem Namen UMA. Als Geschäftsführer hat er große Vorbilder: die Albrecht-Brüder (Aldi). „Ihre Strategie ist die richtige: großer Einkauf zu günstigen Konditionen, äußerste Kalkulation und schneller Warenumschlag“, sagt Unger. Auch seine Mitarbeiter motiviert er, wie Aldi, mit einem Prämiensystem. 2002, mit 57 Jahren, schmeißt Unger alles hin. Aus Todesangst. Weil sein Vater schon mit 63 Jahren gestorben ist, sorgt er sich um die damals 12 000 Mitarbeiter und darum, wer sein Lebenswerk weiterführen soll. Seine zwei Kinder kommen nicht infrage. Für 900 Millionen Euro soll er ATU verkauft haben.
Derzeit soll Unger, dem öffentliche Auftritte „zuwider“sind, Millionen in ein neues/altes Geschäftsfeld stecken. Er lässt das ehemalige Zentrallager in ein Zweirad-Center umbauen. Dabei setzt der ehrgeizige Unger auf das E-Bike. So wie damals: Bereits in den 80er Jahren verkaufte er neben Reifen auch Fahrräder. Julia Sewerin