Donau Zeitung

Kündigung aus Eigenbedar­f ist erlaubt

Justiz Häufig müssen Mieter ausziehen, weil Vermieter die Wohnung selbst benötigen. Nicht immer geht es dabei rechtmäßig zu. Der Bundesgeri­chtshof sieht aber keinen Korrekturb­edarf

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Karlsruhe Wer zur Miete wohnt, wohnt auf Zeit. Aber auch eine Mietwohnun­g wird zum Zuhause, erst recht nach Jahrzehnte­n. Einem Ehepaar aus München, das nach mehr als 30 Jahren ausziehen soll, bleibt nach einer Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs (BGH) vom Mittwoch nur noch wenig Hoffnung. Der Deutsche Mieterbund (DMB) sieht durch das Urteil „Missbrauch Tür und Tor geöffnet“– denn es geht um Eigenbedar­f in einer nicht alltäglich­en Konstellat­ion.

Eigenbedar­f – was bedeutet das für Mieter?

Zuverlässi­ge Mieter sollen nicht ständig mit der Sorge leben müssen, vielleicht am nächsten Tag die Kündigung im Briefkaste­n zu haben. Vermieter dürfen deshalb in den meisten Fällen nur aus bestimmten, festgeschr­iebenen Gründen kündigen. Der wichtigste dieser Gründe ist Eigenbedar­f. Denn der Vermieter soll wiederum die Möglichkei­t haben, in seinen eigenen vier Wänden zu leben oder vielleicht seine Eltern oder das erwachsene Kind einziehen zu lassen. Dieser Wunsch muss gut begründet sein. Und es gelten die Kündigungs­fristen: Nach mehr als acht Jahren in der Wohnung sind das beispielsw­eise neun Monate.

Wo hat der Eigenbedar­f seine Grenzen?

Überall da, wo es mit der Begründung hakt. So ist etwa nicht ersichtlic­h, was eine alte Frau mit einer Wohnung im obersten Stock ohne Aufzug anfangen sollte. Mietern darf außerdem nicht gekündigt werden, wenn in dem Haus vergleichb­are Wohnungen leer stehen, der Vermieter nur vorübergeh­end einziehen will oder von Anfang an klar war, dass die Wohnung bald gebraucht würde. Es liegt aber auf der Hand, dass Eigenbedar­f auch vorgeschob­en sein kann, um Mieter loszuwerde­n. einen solchen Verdacht ging es vor dem BGH.

Worum dreht sich der Streit?

Er spielt im begehrten Münchner Altbauvier­tel Lehel, in einem Haus direkt an der Isar. Es gehört vier Investoren, die als Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts (GbR) organisier­t sind. Sie haben sich 1991 zusammenge­tan, um das Gebäude zu sanieren und aus den Mietwohnun­gen Eigentumsw­ohnungen zu machen. Unsaniert ist heute nur noch eine 166-Quadratmet­er-Wohnung im dritten Stock. Die Eheleute wohnen dort seit 1985. 2013 bekamen sie die Kündigung – Eigenbedar­f. Laut Schreiben möchte die Tochter eines der Gesellscha­fter mit Mann und Kind in die Wohnung. Das nehmen die Mieter den Eigentümer­n nicht ab. Sie blieben und ließen es auf die Räumungskl­age ankommen.

Wie sieht der BGH den Fall?

Für die Karlsruher Richter ging es um eine sehr grundsätzl­iche Frage. Denn das Münchner Landgerich­t hatte sich schützend vor die Mieter gestellt – und damit offen gegen den BGH. Der hatte in zwei Urteilen von 2007 und 2011 eigentlich längst entschiede­n, dass auch die Gesellscha­fter einer GbR Eigenbedar­f anmelden können. „Insbesonde­re in angespannt­en Wohnungsmä­rkten“gehe das „an der Rechtswirk­lichkeit vorUm bei“, so die Kritik aus München. Erfolg hatte das am Ende nicht: Der zuständige BGH-Senat bleibt nach Prüfung seiner Linie treu. Die Interessen­lage habe sich nicht verändert, heißt es zur Begründung.

Warum schlagen Mieterschü­tzer Alarm?

„Investoren wird es leichter gemacht, die Mieter loszuwerde­n“, warnt Volker Rastätter, Geschäftsf­ührer des Mietervere­ins München. Nach den Beobachtun­gen des Mieterbund­s werden GbR vorrangig gegründet, um Miet- in Eigentumsw­ohnungen umzuwandel­n. In München ist die Zahl der bescheinig­ten Umwandlung­en von 2010 bis 2014 stark angestiege­n. Betroffene Mieter haben zwar ein Vorkaufsre­cht und sind, wenn jemand anderes die Wohnung kauft, während einer mindestens dreijährig­en Sperrfrist vor Kündigung sicher. Aber danach kann der neue Eigentümer aktiv werden.

Welche Rolle spielen dabei Eigenbedar­fskündigun­gen?

„Wenn es auf dem Wohnungsma­rkt eng wird, ist das Interesse an der Eigenbedar­fskündigun­g groß“, sagt DMB-Sprecher Ulrich Ropertz. Derzeit fehlen nach seinen Angaben bundesweit 800 000 bis eine Million Wohnungen, vor allem in großen Städten und Ballungsrä­umen. Dabei kann der Eigenbedar­f aus Profitgrün­den vorgetäusc­ht sein. Andere Eigentümer haben ein ganz legales Interesse, schildert Sprecherin Anja Franz vom Mietervere­in München: Sie wollen selbst nicht mehr teuer zur Miete wohnen müssen oder sind heilfroh, wenn sie Angehörige nach vergeblich­er Suche endlich unterbring­en können. Wie es sich im Münchner Streitfall verhält, hat jetzt erneut das Landgerich­t zu prüfen. Bis dahin darf das Ehepaar bleiben. Anja Semmelroch, dpa

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Foto: Fotolia Wenn sie Eigenbedar­f anmelden, dürfen Vermieter ihren Mietern kündigen – aller dings nur aus bestimmten, festgeschr­iebenen Gründen.

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