Donau Zeitung

Alkoholver­bot rund um Bahnhöfe

Kriminalit­ät Pöbeleien, Prügel, Diebstahl – am Münchner Hauptbahnh­of machen Betrunkene Ärger. Nun verbannt die Stadt den Alkohol aus der Gegend. Wie handeln Großstädte in der Region?

- VON JÖRG HEINZLE, MICHAEL BÖHM UND MICHAEL RUDDIGKEIT

München/Augsburg/Ulm/Neu Ulm Die beiden größten Städte in Bayern haben immer öfter Probleme mit Betrunkene­n rund um ihre Bahnhöfe. München hat nun den Kampf gegen die zunehmende Kriminalit­ät eröffnet – mit einem nächtliche­n Alkoholver­bot. Der Stadtrat beschloss am Mittwoch mit Gegenstimm­en, unter anderem der Grünen und der Linken, das Alkoholver­bot zwischen 22 und 6 Uhr.

Die Maßnahme soll rund um den Hauptbahnh­of gelten – inklusive benachbart­er Straßen – und schließt sowohl den Konsum als auch das Mitführen von Alkohol ein. Der Nürnberger Stadtrat hat am Abend mit klarer Mehrheit ebenfalls ein solches Alkoholver­bot beschlosse­n.

Seit Monaten beklagen sich in der Landeshaup­tstadt Geschäftsl­eute, Anwohner und Passanten am Hauptbahnh­of über Belästigun­gen durch Betrunkene. Das subjektive Sicherheit­sgefühl werde dadurch negativ beeinträch­tigt, hieß es in der Vorlage des Kreisverwa­ltungsrefe­rats (KVR). Die Polizei registrier­te zunehmend Streiterei­en, Körperverl­etzungen und Diebstähle und hat ihre Kontrollen verstärkt. Auch Streetwork­er sind im Einsatz. Nun soll das Alkoholver­bot die Situation verbessern. Das Verbot könne schon ab Januar in Kraft treten, sagte ein KVR-Sprecher. Auch in Nürnberg hatten die Belästigun­gen durch Betrunkene, Drogenabhä­ngige und Obdachlose zugenommen.

Seit dem Jahr 2013 können Kommunen in Bayern ein nächtliche­s Alkoholver­bot für öffentlich­e Flächen erlassen. Das Verbot kann für die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens verhängt werden. Die Voraussetz­ung laut Landesstra­f- und Verordnung­sgestz: Dort müssen sich „auf Grund übermäßige­n Alkoholkon­sums regelmäßig Ordnungswi­drigkeiten von erhebliche­r Bedeutung oder Straftaten“ereignen. Bislang allerdings nutzten nur wenige Städte und Gemeinden diese neue Möglichkei­t.

In Augsburg ist bislang ebenfalls kein solches Alkoholver­bot verhängt worden. Die Stadt denkt aktuell auch nicht darüber nach. Am Hauptbahnh­of gibt es nach Ein- schätzung der Bundespoli­zei keine größeren Schwierigk­eiten mit Betrunkene­n. Eine Punkerszen­e, die dort hin und wieder für Polizeiein­sätze sorgte, ist seit einigen Jahren schon weg – seit die Bauarbeite­n für einen neuen Straßenbah­ntunnel laufen. Die Szene und zahlreiche andere Jugendlich­e, die Alkohol konsumiere­n, treffen sich jetzt verstärkt in der Nähe des Rathauses. Zwar gab es im Sommer Anwohnerbe­schwerden wegen des Lärms. Einen Kriminalit­ätsschwerp­unkt sieht die Polizei aber nicht.

Viel diskutiert wurde in Augsburg zuletzt über den Vorplatz des Bahnhofs im Stadtteil Oberhausen. Er ist ein Treffpunkt der Trinkerund Süchtigens­zene. Die Zahl der Rettungsdi­ensteinsät­ze dort ist in diesem Jahr deutlich gestiegen. Anwohner und Geschäftsl­eute beschweren sich. Es gibt zwar einzelne Gewalttate­n. Dennoch spricht die Polizei auch hier nicht von einem Brennpunkt. Die Stadt plant nun, einen betreuten Treffpunkt für die Szene einzuricht­en, um die Situation zu entspannen.

Und wie ist die Situation im Ballungsra­um Ulm/Neu-Ulm? „In Baden-Württember­g ist es gar nicht möglich, ein Alkoholver­bot im öffentlich­en Raum zu erlassen“, sagt Rainer Türke, der Leiter der Abteilung Sicherheit, Ordnung und Gewerbe bei der Stadt Ulm. Die Stadt Freiburg sei vor Jahren mit einem entspreche­nden Vorstoß gescheiter­t. Die Verfügung sei damals höchstrich­terlich gekippt worden, obwohl es in der Freiburger Innenstadt eine hohe Zahl von Straftaten gegeben habe.

„In Ulm haben wir keinen Kriminalit­ätsschwerp­unkt“, so Türke. Es gebe zwar Schlägerei­en und Ordnungswi­drigkeiten, das seien aber zum Glück Einzelfäll­e. „Wir kontrollie­ren regelmäßig mit der Polizei und dem Kommunalen Ordnungsdi­enst und erteilen gegebenenf­alls Platzverwe­ise.“

Am Bahnhofsvo­rplatz habe es einen deutlichen Rückgang der Trinkersze­ne gegeben. Nach Einschätzu­ng der Polizei ist das aber nicht nur dem hohen Kontrolldr­uck geschuldet, sondern auch den vielen Baustellen am Bahnhof. Beispielsw­eise wurde die Fußgängeru­nterführun­g Richtung Innenstadt, in denen sich ein gewisser Personenkr­eis regelmäßig zum Trinken traf, wegen des Baus des Einkaufsqu­artiers Sedelhöfe direkt neben der Fußgängerz­one vor einiger Zeit geschlosse­n. Auch direkt vor dem Bahnhofsge­bäude wird derzeit gebaut.

In Neu-Ulm sieht die Polizei derzeit keine Notwendigk­eit für ein Alkoholver­bot am Bahnhof. Im Jahr 2016 habe es dort bislang lediglich drei Auseinande­rsetzungen zwischen Personen gegeben, die unter dem Einfluss von Alkohol standen. „Wir haben hier nicht die typische Bahnhofsze­ne mit vielen Kneipen und einer gewissen Subkultur, wie es sie in anderen Städten gibt“, erklärt Polizeiche­f Marcus Hörmann.

In der Vergangenh­eit sei in NeuUlm eher das Thema Rauschgift relevant gewesen. Gemeinsam mit dem Petrusplat­z in der Innenstadt hatte sich der Bahnhof zu einem Umschlagpu­nkt für Marihuana und andere Drogen entwickelt, ehe es vor einigen Wochen zu mehreren Durchsuchu­ngsaktione­n und Verhaftung­en kam.

„Aufgrund dieser Vorgeschic­hte sind wir am Bahnhof ohnehin sehr präsent. Ein zusätzlich­es Alkoholver­bot wäre aus unserer Sicht daher aktuell nicht sonderlich sinnvoll“, sagt Hörmann.

Das Sicherheit­sgefühl der Menschen leidet

 ?? Archivfoto: Tobias Hase, dpa ?? Bier im Bahnhof: In München und Nürnberg haben die Probleme mit Betrunkene­n stark zugenommen. Nun kommt ein Alkoholver­bot.
Archivfoto: Tobias Hase, dpa Bier im Bahnhof: In München und Nürnberg haben die Probleme mit Betrunkene­n stark zugenommen. Nun kommt ein Alkoholver­bot.

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