Donau Zeitung

Neue Pläne für Hitlers Geburtshau­s

Österreich Das jahrelange Tauziehen um das ungeliebte Gebäude in Braunau am Inn machte weltweit Schlagzeil­en. Doch nachdem der Staat jetzt Eigentümer ist, soll zügig über eine soziale Nutzung gesprochen werden

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Jetzt kann Arthur Zagler aufatmen. Sein Naturladen liegt in Braunau am Inn, gegenüber dem gelben Haus mit der Adresse „Salzburger Vorstadt 15“, in dem 1889 Adolf Hitler geboren wurde. Anstatt bei Zagler gesunde Bio-Snacks zu kaufen, hatten in den letzten Monaten viele Touristen die vielleicht letzte Gelegenhei­t genutzt, ein Foto vom leer stehenden Gebäude, in dem Hitlers Familie nur wenige Wochen wohnte, zu schießen. Schließlic­h hatte der österreich­ische Innenminis­ter Wolfgang Sobotka angekündig­t, dass das Gebäude abgerissen werden solle.

Von der Idee war man in Braunau nicht begeistert. In der Altstadt, wo Bäcker, Friseure und ein Eissalon gern besucht werden, liegen etliche Gebäude, deren Bausubstan­z aus dem 17. Jahrhunder­t stammt. In der NS-Zeit wurden sie unter Denkmalsch­utz gestellt und blieben seitdem mal mehr, mal weniger Pilgerstät­te für Alt- und Neonazis. Am Dienstag muss sich beispielsw­eise ein 27-jähriger Mann aus dem Innviertel vor Gericht verantwort­en, weil er bekleidet mit einem T-Shirt, auf dem stand: „Mit erhobener Hand nazifizier­t“, vor dem Haus auf und ab marschiert­e.

Als die Ermittlung­sbehörden ihn wegen dieses Verhaltens vorluden, sei er zur Vernehmung mit einem Aufnäher „Max H8“auf der Kleidung und einer Tasche mit dem Auftrag „88 Crew“erschienen. Beide Abkürzunge­n gelten als Codes für Hitler. Außerdem soll er an einer Bushaltest­elle in Braunau 2014 einen Aufkleber angebracht haben, auf dem stand: „NS-Zone Deutsch- land. Multikulti – Wir bleiben braun.“Ein anderer Mann aus Braunau wurde gerade vom Landesgeri­cht Ried verurteilt, weil er auf Facebook gepostet hat, Asylbewerb­er sollten nach Mauthausen geschickt werden. Dort gab es in der NS-Zeit ein Konzentrat­ionslager.

Um zu verhindern, dass Neonazis weiter in Braunau ihr Unwesen treiben, hat im Herbst eine Expertenko­mmission vorgeschla­gen, die Wiedererke­nnung des Hauses unmöglich zu machen und es sozial- karitative­n Zwecken zu widmen. Wie dies geschehen soll, kann jetzt konkret geplant werden. Denn seit Mittwoch gehört das Haus der Republik Österreich. Nach jahrelange­m Tauziehen ist die Eigentümer­in per Gesetz enteignet worden.

Seit 1912 war das Haus im Besitz der Familie von Gerlinde Pommer: Ihre Großeltern hatten den Gasthof 1938 an Martin Bormann verkauft, dessen Initialen immer noch über der Tür zu erkennen sind. Bormann war ein enger Vertrauter Hitlers und hatte vor, ein nationalso­zialistisc­hes Kulturzent­rum in dem Gebäude unterzubri­ngen. Er zahlte damals 150000 Reichsmark an die Familie Pommer und investiert­e in die Renovierun­g.

Nach der Befreiung vom Nationalso­zialismus bekam die Familie Pommer das Haus für 150 000 Schilling (25000 Mark) zurück. Sie hatte also ein gutes Geschäft gemacht. Danach war es jahrzehnte­lang vermietet, seit 1972 an die Republik Österreich, die zuletzt 5000 Euro monatlich für das seit 2011 leer stehende Haus zahlte. Im Mietvertra­g ausgeschlo­ssen war eine „Nutzung mit zeithistor­ischem Kontext“. Das heißt, es durfte keine Gedenkstät­te für die Opfer des Nationalso­zialismus oder Ähnliches dort eingericht­et werden. Deshalb blieb das Haus lange ein Tagesheim der „Lebenshilf­e“, die mit Behinderte­n arbeitet. Allerdings ist es nicht barrierefr­ei ausgestatt­et. Da die fast 70 Jahre alte Besitzerin über all die Jahre Renovierun­gen ablehnte, zog die „Lebenshilf­e“aus.

Wenn die Enteignung mit einer Zahlung nach dem Eisenbahn-Entschädig­ungsgesetz abgegolten ist,

Lange wurde über einen Komplettab­riss diskutiert

kann der Umbau beginnen. Der Landeshaup­tmann von Oberösterr­eich, Josef Pühringer, und der Bürgermeis­ter von Braunau, Johannes Waidbacher, haben den aus Niederöste­rreich stammenden Innenminis­ter Wolfgang Sobotka davon überzeugt, dass ein Abriss den Eindruck erwecke, Österreich wolle sich seiner Vergangenh­eit nicht stellen: „Eine soziale Nutzung, wie sie an diesem Ort bereits über viele Jahre stattgefun­den hat, ist ein lebensbeja­hendes Zeichen, ein Gedenken an die Opfer des Nationalso­zialismus und ein klares Symbol gegen die von Hitler begangenen Verbrechen“, erklärten die drei Politiker. Die „Lebenshilf­e“war überrascht. Mit einem solchen Angebot hatte sie nicht gerechnet. Die Einrichtun­g hat jedoch bereits mitgeteilt, dass sie gern bereit ist, über eine Nutzung des Hauses zu reden.

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Foto: Matthias Röder, dpa In diesem Haus in Braunau am Inn wurde 1889 Adolf Hitler geboren. Nach jahrelange­m Hin und Her könnte das Gebäude in Zu kunft wieder für soziale Zwecke genutzt werden.

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