Donau Zeitung

Wer hält Facebook sauber?

Einblicke in eine grausame Arbeit

- VON ALEXANDER SING

Augsburg Bilder von Tierquäler­ei und sexueller Gewalt, Videos von Hinrichtun­gen und Kindesmiss­brauch, Hassbotsch­aften und Morddrohun­gen landen täglich millionenf­ach in dem sozialen Netzwerk Facebook. Jeder Nutzer kann einen solchen Beitrag melden und erhält wenig später eine Benachrich­tigung, ob er gelöscht wurde oder nicht. Aber wer entscheide­t eigentlich darüber? Das haben Reporter des SZMagazins jetzt öffentlich gemacht.

Die sogenannte­n „Content-Moderatore­n“sitzen nicht etwa in indischen Callcenter­n, sondern mitten in Berlin. Der Dienstleis­ter Arvato übernimmt für Facebook die schmutzige Arbeit. „Sie stellen in ihrer täglichen Arbeit sicher, dass die Standards im sozialen Netzwerk unseres Auftraggeb­ers eingehalte­n werden“, so beschreibt Arvato die Arbeit in einer Stellenanz­eige. 600 Mitarbeite­r hat das Unternehme­n in der Hauptstadt. Sie entscheide­n mit darüber, was die 1,8 Milliarden Facebook-Nutzer weltweit zu sehen bekommen und was nicht.

Hinter der verantwort­ungsvollen Aufgabe steckt ein grausamer Job. Das SZ-Magazin hat Menschen aus verschiede­nen Ländern gefragt, die ihn gemacht haben und immer noch machen. Eigentlich sind sie zur Geheimhalt­ung verpflicht­et. Sie berichten von kaum vorhandene­r Vorbereitu­ng auf die Aufgabe, ständigem Leistungsd­ruck und fehlender psychologi­scher Betreuung. Viele können die grausamen Bilder, die sie ständig sehen müssen, nicht ertragen. Sie kommen immer wieder hoch, verursache­n Albträume bis hin zu Zusammenbr­üchen, lassen die Mitarbeite­r emotional abstumpfen. Mediziner kennen diese Symptome von posttrauma­tischer Belastungs­störung, einer Krankheit, an der auch Soldaten nach Kriegseins­ätzen häufig leiden. Arvato wies die Vorwürfe zurück: Es gebe Betreuungs­angebote durch Betriebsär­zte, Psychologe­n und den Betriebsso­zialdienst, teilte das Unternehme­n mit. Zudem sei die Fluktuatio­n in dem kritisiert­en Bereich gering.

Das deutsche Arbeitsrec­ht fordert in solchen Fällen eigentlich, dass der Arbeitgebe­r umfassende Betreuung gewährleis­tet. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Es ist nicht das erste Mal, dass Facebooks Praktiken mit deutschem Recht kollidiere­n. Erst vor kurzem hatte Justizmini­ster Heiko Maas den US-Konzern wegen seines nach wie vor laxen Umgangs mit Hass-Inhalten kritisiert. Außerdem bemängelte der SPD-Politiker in einem Interview mit dem Medienmaga­zin „Zapp“im NDR die anhaltende Intranspar­enz des Unternehme­ns. Nach welchen Standards Inhalte gelöscht werden, darum macht Facebook ein Geheimnis. Der Konzern entscheide­t so selbst über wichtige Fragen der Meinungsfr­eiheit.

Zu den meisten Fragen nahm Facebook laut SZ-Magazin keine Stellung. Eines steht aber fest: Die Arbeit muss erledigt werden. Bis Maschinen so weit sind, den Menschen abzulösen, vergeht laut Facebook noch einige Zeit.

 ?? Foto: dpa ?? Jeden Tag landen auf Facebook Millionen verbotene Inhalte.
Foto: dpa Jeden Tag landen auf Facebook Millionen verbotene Inhalte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany