Donau Zeitung

Die dramatisch­en Stunden des Linus Förster

Kriminalit­ät Erst die Aufhebung der Immunität als Landtagsab­geordneter, dann die Verhaftung. In der Affäre um den ehemaligen schwäbisch­en SPD-Chef ist es ein neuer Tiefpunkt. Für den Menschen Förster ebenso

- VON HOLGER SABINSKY WOLF UND JÖRG HEINZLE

Augsburg Am Donnerstag­nachmittag war der Landtagsab­geordnete Linus Förster nach wochenlang­er Pause mal wieder auf seinem öffentlich zugänglich­en Facebook-Profil aktiv. Doch was er dort gemacht hat, wirkt verstörend. Denn seither ist dort eine Foto-Collage Försters aus Kinder- und Jugendzeit­en zu sehen, die unter anderen Umständen durchaus witzig zu nennen wäre. Zudem gibt es ein neues Profilbild, das Förster an einer schweren Metall-Gittertür zeigt. Darüber prangt in gelben Buchstaben der Spruch „Freiheit ist das, was die anderen nicht über dich wissen!“

Wie es scheint, haben die meisten Menschen vieles über Linus Förster, 51, nicht gewusst. Aber Freiheit hat ihm das nicht gebracht. Im Gegenteil.

Am Freitagvor­mittag um 9.15 Uhr fährt ein silberfarb­ener Polizeibus am Augsburger Strafjusti­zzentrum

Verstörend­er Spruch auf seinem Facebook Profil

vor. Der Bus hat hinten verspiegel­te Scheiben, vorne sitzen zwei uniformier­te Polizeibea­mte, auf der hinteren der beiden Rückbänke sitzt Linus Förster. Das Polizeiaut­o fährt in den Keller, die Beamten steigen aus. Das Tor schließt sich, Förster wird von dort aus direkt in den Gerichtssa­al gebracht.

Um 9.20 Uhr kommt Ermittlung­srichterin Yvonne Möller, kurz darauf Staatsanwa­lt Christian Grimmeisen mit Akten unterm Arm. Die Anzeige vor der Tür schaltet auf „nicht öffentlich“. Gegen 9.30 Uhr beginnt der Termin, die Jalousien der Fenster werden herunterge­lassen. Die Ermittlung­srichterin eröffnet Förster den Haftbefehl, Förster macht keine Angaben. Anwalt Hansjörg Schmid aus der Kanzlei Rubach ist bei ihm. Der Termin dauert nur etwa eine Viertelstu­nde. Die Richterin setzt den Haftbefehl in Vollzug. Noch vor 10 Uhr ver- lässt der Bus wieder das Strafjusti­zzentrum. Er fährt ins Gefängnis nach Gablingen (Landkreis Augsburg), wo Förster nun in Untersuchu­ngshaft sitzt.

Es ist Freitag, der 16. Dezember. Vor genau einem Monat ist bekannt geworden, dass gegen Linus Förster ein Ermittlung­sverfahren der Augsburger Staatsanwa­ltschaft läuft. Bei einer Razzia in Büros und Wohnungen wurden mehrere digitale Datenträge­r sichergest­ellt. Waren die Vorwürfe anfangs noch verhältnis­mäßig harmlos, hat sich die Causa Förster inzwischen zu einem massiven Sex-Skandal ausgeweite­t. Ging es zunächst darum, dass Förster eine Prostituie­rte heimlich beim Sex filmen wollte und darüber mit ihr in Streit geriet, steht mittlerwei­le der Verdacht des schweren sexuellen Missbrauch­s einer „widerstand­sunfähigen Person“im Raum und der Besitz von Kinderporn­ografie.

Für die Staatsanwa­ltschaft ist mit den neuen Vorwürfen eine neue Dimension erreicht. Sie sieht angesichts des Verdachts auf erhebliche Straftaten Flucht- und Verdunklun­gsgefahr und will Förster verhaften. „Da kann man nicht zuwarten, da ist Eile geboten“, erklärt der Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft, Matthias Nickolai, am Freitag.

Und die Ermittler verlieren keine Zeit. Am Mittwoch beantragen sie die Aufhebung der Immunität des Abgeordnet­en Förster, abends beschließt der Rechtsauss­chuss des Landtags einstimmig diesen Schritt. Der Weg ist frei. Schon am Donnerstag­abend werden Polizeibea­mte beauftragt, Förster festzunehm­en. Den Haftbefehl haben sie bereits in der Tasche. Zu Hause in Augsburg ist Förster nicht. Sie treffen den Landtagsab­geordneten vielmehr in einer psychosoma­tischen Klinik in Bad Griesbach an. Förster hat sich dort in Behandlung begeben.

Am Freitagmor­gen kann Anwalt Walter Rubach seinen Mandanten kurz in Augsburg sehen. „Es geht ihm nicht gut. Er hat mit einer Verhaftung überhaupt nicht gerechnet“, berichtet er nach dem Treffen.

Linus Förster sitzt seit 2003 für die Augsburger SPD im Landtag. Schon früh war er politisch aktiv. Er war Chef des Augsburger Stadtjugen­drings, studierte Politikwis­senschafte­n an der Uni in Augsburg, war dort auch Dozent und promoviert­e zum „Dr. phil.“. Zuletzt war Förster schwäbisch­er Bezirksche­f der Partei und einer der führenden Köpfe der bayerische­n SPD.

Nachdem zum ersten Mal die Rede von Fotos nackter minderjähr­iger Frauen auf seinen Datenträge­rn war, erklärte der 51-Jährige seinen kompletten Rückzug aus der Politik. Er gab sämtliche Ämter ab,

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Foto: Ulrich Wagner Der Abgeordnet­e Linus Förster im Polizeibus auf dem Weg zur Ermittlung­srichterin. Der Haftbefehl wurde am Freitagvor­mittag in Vollzug gesetzt. Förster sitzt in Untersuchu­ngshaft.

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