Ein Kriegsverlust kehrt zurück
Rückgabe Dieser Wandteppich hat eine bewegte Geschichte: Einst hing er bei Lenbach, dann sollte er Hitler erfreuen, schließlich nahm ihn ein US-Soldat mit. Jetzt ist er wieder in München
München Als Cathy Hinz ein Kind war, war der Wandteppich in ihrem Elternhaus im US-amerikanischen Minneapolis wie ein Bilderbuch voller Geheimnisse und Märchen. Hinz’ Vater hatte das Stück mit der Szene einer höfischen Gesellschaft 1945 mit nach Hause gebracht – als Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, in dem er als Offizier mithalf, Deutschland von den Nazis zu befreien. Der Teppich hat eine bewegte Geschichte, hing er doch ab 1938 im Kehlsteinhaus bei Berchtesgaden, das die Nationalsozialisten Adolf Hitler zum 50. Geburtstag geschenkt hatten. Am Freitag gab Hinz den kostbaren Teppich in München an den Freistaat Bayern zurück, dem er von Rechts wegen gehört.
Die Tapisserie wurde um 1500 in Flandern aus Wolle gewirkt, darauf ein Flötenspieler, ein knieender Mann und zwei Frauen in prächtigen Kleidern, vielleicht mit Noten in den Händen, weiter hinten sind Männer bei der Jagd. Wer das Werk in Auftrag gegeben hat? Man weiß es nicht. Doch adlige Familien liebten damals solche Teppiche und hängten sie zu besonderen Anlässen auf, sagt Johannes Pietsch. Er ist der Textilienfachmann des Bayerischen Nationalmuseums in München, wo der Teppich nun sein neues Zuhause hat.
Erst ab der Zeit um das Jahr 1900 ist seine Geschichte bekannt. Der Münchner Malerfürst Franz von Lenbach erwarb ihn in der Kunstund Antiquitätenhandlung Bernhei- mer und schmückte damit seine berühmte Künstlervilla. 1931 kaufte die Firma die Tapisserie zurück, außerdem wurde das Werk in das Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter aufgenommen. Erst am 21. September 1938 kam ein guter Kunde und wollte die bunte Wirkarbeit haben. 24000 Reichsmark blätterte der Architekt Heinrich Michaelis dafür hin. „Ein stolzer Preis“, wie der Beauftragte für Provenienzforschung in Bayern, Alfred Grimm, erklärt.
Dass Michaelis damit einen Nazibau ausstatten wollte, habe wohl niemand vermutet, glaubt der Kunsthändler Konrad Bernheimer, dessen Familie später von den Nationalsozialisten verfolgt und enteignet wurde und einige Jahre im Exil verbrachte. Nur wenige Wochen nach dem Teppichkauf wurden in der Pogromnacht am 9. November 1938 die Schaufenster der Firma eingeschlagen und Bernheimers Großvater Otto ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Unter die Masse der zwangsverkauften Kunstwerke fällt die Tapisserie aber nicht. Schließlich sei damals der volle Preis bezahlt worden, sagt Bernheimer, der deshalb keine Ansprüche geltend gemacht hat.
Nun freut sich also das Bayerische Nationalmuseum über das kostbare Stück, das erst einmal genau untersucht wird. Dass es dort gelandet ist, ist Robert M. Edsel und seiner Monuments Men Foundation zu danken, die die Herkunft des Teppichs recherchiert haben. „Es war damals für viele Soldaten kein ungewöhnlicher Gedanke, ein Souvenir mitzunehmen, um sich daran zu erinnern, dass sie überlebt hatten und viele ihrer Freunde nicht“, erklärt Edsel. Nach Angaben der Foundation ist es nun das siebte Mal, dass ein von USSoldaten am Ende des Zweiten Weltkriegs mitgenommenes Kunstwerk durch Vermittlung der Monuments Men nach Deutschland zurückgebracht wurde.
Auch Cathy Hinz ist froh, dass der Teppich in guten Händen ist. Das sei im Sinne ihres Vaters, ist sie sicher. Cordula Dieckmann, dpa