Schlusssatz
Auf ein Wort
Wer darin kein Problem sieht, hat im Grunde nichts verstanden. Dass Ingo Zamperoni, das nun auch schon nicht mehr ganz neue Gesicht der „Tagesthemen“, noch keinen rituellen Schlusssatz für seine Moderation gefunden hat, ist keine Albernheit am Rande des dramatischen Weltgeschehens. Die Lücke zischt effektheischend und macht auch optisch in zentral verdreifachter S-Windung auf sich aufmerksam: Schlusssatz.
Halbitaliener Zamperoni hat nach der leidlich koketten Selbstreflexion bei seiner ersten Sendung („Isch abe gar keinen Schlusssatz“) und tausenden Vorschlägen aus dem Netz bislang nur rumgeeiert: „Möge die Nacht mit Ihnen sein“und „In diesem Sinne, die Erde dreht sich trotzdem weiter. Bis bald!“. Dabei will doch charmant Trost vermittelt sein am Ende all der schweren Nachrichten unserer Zeit. Aber darf es noch lapidar sein wie bei Ulrich Wickert, der schlicht „geruhsame Nacht“wünschte? Oder wie bei Thomas Roth mit seinem „Kommen Sie gut durch diese Nacht“? Der wohl berühmteste Schlusssatz ist jedenfalls längst geplündert. Tom Buhrow kürzte das „Schließlich ist morgen auch noch ein Tag“aus „Vom Winde verweht“zu einem „Morgen ist ein neuer Tag“. Und den wohl berühmtesten gereimten Schlusssatz, das „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“aus Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“, hat Marcel ReichRanicki schon am Ende des „Literarischen Quartetts“verbraten. Ein dritter Promi ist noch nicht wiederverwertet, aber wohl zu pantherhaft selbstbezogen und rosarot albern: „Heute ist nicht alle Tage; ich komm wieder, keine Frage.“
Wasss also tun, Herr Zamperoni, wasss? So zischt und schlängelt das Problem weiter. Die Literatur kennt inzwischen den Kniff, mitten in der Erzählung, mitten im Satz aufzuhören, um zu zeigen, dass nichts mehr ein sinngebendes Ende haben kann. Im Theater wird der Schluss gerne durch ausdauerndes Schweigen ersetzt. Aber ginge das denn, Mal für Mal? Würde der Effekt denn nicht hohl? Übrigens, auch dieser Text nähert sich tastend, suchend seinem Schlusssatz. Er lautet – Achtung, Ingo! –: Das war’s für heute, danke für Ihr Vertrauen.