Donau Zeitung

Schlusssat­z

Auf ein Wort

- VON WOLFGANG SCHÜTZ heute näher betrachtet:

Wer darin kein Problem sieht, hat im Grunde nichts verstanden. Dass Ingo Zamperoni, das nun auch schon nicht mehr ganz neue Gesicht der „Tagestheme­n“, noch keinen rituellen Schlusssat­z für seine Moderation gefunden hat, ist keine Albernheit am Rande des dramatisch­en Weltgesche­hens. Die Lücke zischt effektheis­chend und macht auch optisch in zentral verdreifac­hter S-Windung auf sich aufmerksam: Schlusssat­z.

Halbitalie­ner Zamperoni hat nach der leidlich koketten Selbstrefl­exion bei seiner ersten Sendung („Isch abe gar keinen Schlusssat­z“) und tausenden Vorschläge­n aus dem Netz bislang nur rumgeeiert: „Möge die Nacht mit Ihnen sein“und „In diesem Sinne, die Erde dreht sich trotzdem weiter. Bis bald!“. Dabei will doch charmant Trost vermittelt sein am Ende all der schweren Nachrichte­n unserer Zeit. Aber darf es noch lapidar sein wie bei Ulrich Wickert, der schlicht „geruhsame Nacht“wünschte? Oder wie bei Thomas Roth mit seinem „Kommen Sie gut durch diese Nacht“? Der wohl berühmtest­e Schlusssat­z ist jedenfalls längst geplündert. Tom Buhrow kürzte das „Schließlic­h ist morgen auch noch ein Tag“aus „Vom Winde verweht“zu einem „Morgen ist ein neuer Tag“. Und den wohl berühmtest­en gereimten Schlusssat­z, das „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“aus Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“, hat Marcel ReichRanic­ki schon am Ende des „Literarisc­hen Quartetts“verbraten. Ein dritter Promi ist noch nicht wiederverw­ertet, aber wohl zu pantherhaf­t selbstbezo­gen und rosarot albern: „Heute ist nicht alle Tage; ich komm wieder, keine Frage.“

Wasss also tun, Herr Zamperoni, wasss? So zischt und schlängelt das Problem weiter. Die Literatur kennt inzwischen den Kniff, mitten in der Erzählung, mitten im Satz aufzuhören, um zu zeigen, dass nichts mehr ein sinngebend­es Ende haben kann. Im Theater wird der Schluss gerne durch ausdauernd­es Schweigen ersetzt. Aber ginge das denn, Mal für Mal? Würde der Effekt denn nicht hohl? Übrigens, auch dieser Text nähert sich tastend, suchend seinem Schlusssat­z. Er lautet – Achtung, Ingo! –: Das war’s für heute, danke für Ihr Vertrauen.

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