Als die Welt zu hämmern begann
Kommunikation Vor 150 Jahren revolutionierte die Schreibmaschine unser Leben. Ein Südtiroler war Pionier der Entwicklung, die der Wirtschaft half. Und auch den Flirts?
„Träumend an der Schreibmaschin’ saß die kleine Josephine. Die Sehnsucht des Herzens, die führte die Hand, der Chef kam und las es und staunte. Da stand: Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen...“.
Augsburg Das war so um das Jahr 1930. Schreibmaschine? Heute heißt Josephine zeitgemäß Jasmin und postet auf Facebook: „Wow, KevinJoe macht mit mir einen Segeltörn, das wird saucool.“
Robert Gilbert, der Dichter des eingangs erwähnten Textes, würde wohl angesichts der heutigen Welt und ihrer Kommunikation sich noch im Grab wundern, wohin die Reise seither ging. Josephine an der Schreibmaschine hatte Glück, dass sie, wie Jasmin, kein Opfer der sozialen Medien wurde. Weil KevinJoe mit einer anderen segeln ging.
An der medialen Entwicklung hat der eigentlich unschuldige Tüftler Peter Mitterhofer wesentlichen Anteil. Er hat nach weitverbreiteter Meinung vor 150 Jahren, also 1866, dieses mechanische Schreibgerät erfunden. Insgesamt vier Modelle produzierte der Südtiroler (1822 – 1893) in den 1860er Jahren.
Es gab durchaus gewisse krude Vorläufer zur Unterhaltung des Adels, die für den Volksgebrauch aber nicht taugten. Aber Mitterhofer wurde mit seinem hölzernen Teil zumindest im Nachhinein zu einem Helden unseres Nachbarlandes – und das Ganze ohne Skifahren. Am Wiener Hof wurde erst mal gegrantelt, weil die Habsburger zweifelten und einen süßen Strudel dem Fortschritt vorzogen.
Das war Mitterhofers Idee: Eine „Typenhebelkorbmaschine“kombiniert mit „einer mehrreihigen Tastatur“, wie sie im Prinzip noch heute üblich ist. In einer verbesserten Version verfügte sie auch über Groß- und Kleinschreibung. Mitterhofer aber wusste, dass rein mechanisch seine Modelle verbesserungswürdig waren.
In puncto Mechanik war das legendäre Hammerklavier Vorbild. Der Italiener Giuseppe Ravizza hatte – sprachlich elegant – sein bereits 1855 vorgestelltes Gerät „Cembalo Scrivano“genannt. Musikalischer Wohlklang: Fehlanzeige. Ob Mitterhofer von Ravizza wusste, weiß keiner.
Der Siegeszug der später elektrischen Schreibmaschine war aufgrund einer Vielzahl von Verbesserungen (Zehnfingermethode, Schnelligkeit, Kugelkopf) nicht aufzuhalten. Zum Vorteil der Wirtschaft. Mahnungen, Belobigungen, Kündigungen, Absagen und Gewinnmitteilungen gingen schnell aus dem Haus.
Dann kam der Computer. Ein Stück Alltagskultur, soziale Wahrnehmung und dramaturgische Zuspitzung blieben auf der Strecke. Das Kino hat alles festgehalten: Wie die aus der Mode gekommenen Morde in Telefonzellen schuf auch das Schreibwesen sich seine eigene Nostalgie. Großartig, wie der USKomiker Jerry Lewis eine imaginäre Schreibmaschine dank der Musik von Leroy Anderson zu einem LuftInstrument veränderte, lange bevor von der Luft-Gitarre die Rede war.
Unvergessen sind die US-Filme der 40er Jahre, in denen der Chefredakteur einer Zeitung nur mit Gebrüll seine zuhauf hämmernde Gefolgschaft auf sich aufmerksam machen konnte. Auch undank der vielen Illustriertenromane galt das „Fräulein an der Schreibmaschine“, das heute doch so viele Qualifikationen hat, als Chiffre für vielversprechende Flirt-Anläufe der Herren.
Erich Kästner schreibt in „Chor der Fräuleins“: „Wir hämmern auf die Schreibmaschinen. Das ist genau, als spielten wir Klavier. Wer Geld besitzt, braucht keines zu verdienen. Wir haben keins. Drum hämmern wir.“Echt aus der Zeit. Aber geflirtet wird noch immer. Haben wir gehört, ganz ohne Gehämmer...