Von wegen Nostalgie – Zukunft!
Neulich schlecht geträumt
An Weihnachten werden die Leute gerne sentimental und mögen es am liebsten wie früher. Kerzenlicht statt Beleuchtung aus der Steckdose. Und bitte wenigstens einmal die weiße schwere Tischdecke zum Essen und das edle Geschirr, auch wenn es nicht spülmaschinenfest ist. Burgfrieden mit der Moderne, Nostalgie und Verklärung … Aber halt! Früher ist die neue Zukunft! Einst ist das neue heute.
Weihnachten ist Teil dieser Revolution. Es mehren sich die Indizien, dass das längst verschwunden geglaubte Inventar aus der analogen Hochkultur des 20. Jahrhunderts eine Renaissance erlebt. Weltweit. Zwei Beispiele nur, die das belegen: Kerzenlicht fällt auf die Langspielplatte aus Vinyl. Und Kerzenlicht fällt auf das Fahrrad in China.
In Großbritannien verdiente die Musikindustrie zuletzt mehr Geld mit Schallplatten als mit Downloads. Tatsache. In einer genau untersuchten Woche Anfang Dezember gaben die Briten 2,4 Millionen Pfund für Schallplatten aus – aber nur 2,1 Millionen für digitale Musikdownloads. Die Zukunft dreht sich wieder im Takt von 33 Umdrehungen pro Minute! Wenn das so weitergeht, erscheinen Touristen bald wieder mit Koffern ohne Räder am Flughafen und Hausfrauen kleben wieder Rabattmarken in ein Heft.
In China, wo die lange Zeit allgegenwärtigen Fahrräder in den letzten 30 Jahren in rasender Geschwindigkeit aus dem Straßenbild der Metropolen verschwunden sind, kündigt sich mitten im Smog und in Dauerstaus eine Rolle rückwärts an. Denn in Schanghai und Peking sind immer mehr Großstädter auf knallbunten Leihfahrrädern unterwegs. Die jungen Firmen, die das Geschäft angekurbelt haben, können sich vor internationalen Investoren kaum retten. Das Fahrrad könnte das Goldene Kalb des neuen China werden. Fröhliche Weihnachten! (mls)