Donau Zeitung

„Noch neugierig wie ein Kind“

Der norwegisch­e Autor Jo Nesbø empfindet Schreiben auch als Spiel – egal ob er nun lustige Jugendlite­ratur schreibt oder düstere Thriller

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Die meisten Figuren in Ihren Kinderbüch­ern sind etwa zehn Jahre alt. Wie waren Sie in diesem Alter? Nesbø: Wahrschein­lich ein bisschen so wie Doktor Proktor, mein verrückter Erfinder. Ich hatte damals jede Menge Ideen und wollte viele Dinge ausprobier­en. Dauernd machte ich kleine Experiment­e. Es war eine schöne, wilde Zeit.

Spüren Sie diesen kleinen Jungen noch immer in sich? Nesbø: Na klar! Manchmal kommt es mir so vor, als sei dies der fundamenta­le Unterschie­d zwischen Menschen: Manche halten diese Verbindung zu sich selbst als Kind ihr Leben lang aufrecht und spüren noch immer wie sie waren und sind. Für andere dagegen scheint die Kindheit wie ein Traum zu sein, den sie komplett vergessen haben, wenn sie aufwachen und 13 oder 16 Jahre alt sind. Ich bin jedenfalls froh, dass ich das Kind noch in mir habe.

Wie wirkt sich das auf Ihr Verhalten und Ihre Arbeit aus? Nesbø: Ich bin noch immer neugierig und spiele genauso viel wie damals – nur die Spielzeuge sind andere geworden. Meine Arbeit, das Schreiben, ist natürlich auch ein Spiel, denn ich probiere dabei viel aus, überschrei­te Grenzen, höre plötzlich auf, fange wieder an, habe Spaß daran. Diese Haltung von mir, beim Schreiben das Kind in mir zu entdecken, war für mich immer von entscheide­nder Bedeutung. Auch bei meinen Thrillern.

Für wen schreiben Sie lieber: Kinder oder Erwachsene? Nesbø: Mir macht beides großen Spaß – es ist aber auch in beiden Fällen harte Arbeit.

Worin unterschei­det sich der Schreibpro­zess? Nesbø: Die Kinderbüch­er fordern mich genauso stark wie die Romane für Erwachsene, aber trotzdem gibt es einen kleinen Unterschie­d. Einen Thriller aus meiner Harry-Hole-Serie zu schreiben, ist für mich wie ein großes Orchester zu dirigieren. Außerdem muss viel geplant werden und genau durchdacht sein. Bei Doktor Proktor fühlt es sich eher wie ein Konzert in einem kleinen Club an, weil ich für Kinder mehr improvisie­re.

Hatten Sie nie Angst, dass Doktor Proktor Ihr Image als cooler Thrillerau­tor beeinträch­tigen würde? Nesbø: Doch. Ich rechnete sogar damit, dass man mein erstes Kinderbuch total verreißen würde. Aber meine Befürchtun­gen erwiesen sich als grundlos – das Buch wurde mit Enthusiasm­us aufgenomme­n. Inzwischen hat die Serie viele Fans auf der ganzen Welt und ich muss mir darüber zum Glück keine Gedanken mehr machen.

Welche Rolle spielten Bücher und Geschichte­n in Ihrer Kindheit? Nesbø: Meine Mutter war Bibliothek­arin und mein Vater saß jeden Nachmittag im Wohnzimmer und las. Außerdem erzählte er viele Geschichte­n. Als ich sieben Jahre alt war, zog ich „Herr der Fliegen“von William Golding aus dem Bücherrega­l und bat meinen Vater, mir daraus vorzulesen. Ich wählte dieses Buch aber nicht etwa, weil ich so einen guten Geschmack hatte, sondern weil ich das Cover mit einem blutigen Schweineko­pf so fasziniere­nd fand.

Wie feiern Sie Weihnachte­n? Nesbø: Normalerwe­ise ganz traditione­ll mit norwegisch­en Spezialitä­ten und Getränken, zusammen mit meiner Tochter. Aber nicht unbedingt in Norwegen – manchmal flüchten wir in die Wärme, nach Asien oder in den Süden. Als Kind war der Weinachtsa­bend der schönste Tag des Jahres für mich – ich habe diese Zeit geliebt!

Erinnern Sie sich an ein Geschenk, das Sie sich immer wünschten, aber nie bekommen haben? Nesbø: Ja. Ich wollte unbedingt eine Zeitmaschi­ne. Dass ich sie nicht bekam, machte mich total traurig. Aber irgendwann bekam ich sie dann doch: Ich schlief ein und träumte von ihr. Später habe ich dann Doktor Proktor eine Zeitbadewa­nne erfinden lassen – da wurde mein Wunsch schon wieder wahr.

Wie feiert Doktor Proktor? Nesbø: Bei ihm ist die Hölle los: Er lädt einen Haufen anderer verrückter Erfinder ein, und die machen sich dann einen schön verrückten Abend. Aber vielleicht muss Doktor Proktor auch arbeiten. In meinem nächsten Kinderbuch, das im

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 ?? Fotos: Alberto Estevez, dpa, Ullstein, Arena ?? Seine Karriere Jo Nesbø feierte erst als Profifußba­ller und Popstar Er folge, dann seine größten aber als Autor. Der 56 Jähri ge, der in Oslo lebt, hat weltweit mehr als 30 Millionen Bücher verkauft. 2017 erscheinen zwei neue Romane aus seinen Serien...
Fotos: Alberto Estevez, dpa, Ullstein, Arena Seine Karriere Jo Nesbø feierte erst als Profifußba­ller und Popstar Er folge, dann seine größten aber als Autor. Der 56 Jähri ge, der in Oslo lebt, hat weltweit mehr als 30 Millionen Bücher verkauft. 2017 erscheinen zwei neue Romane aus seinen Serien...
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