Teilzeitarbeit soll attraktiver werden
Reform Regierung will für Millionen Betroffene mehr Rechte schaffen. Vor allem Frauen sollen aus dem Risiko einer Karrierefalle befreit werden
Augsburg Es ist eines der letzten offenen großen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, den Union und SPD zu Beginn ihrer Regierungszeit geschlossen hatten: Die Teilzeitarbeit soll vor allem zugunsten von Millionen Arbeitnehmerinnen reformiert werden. Denn wie selbst Experten der Bundesagentur für Arbeit einräumen, sind Teilzeitjobs insbesondere für Frauen eine Karrierefalle mit Konsequenzen für das gesamte Berufsleben. Ein Massenproblem – denn rund die Hälfte der über 14 Millionen berufstätigen Frauen in Deutschland arbeitet in Teilzeit-Arbeitsplätzen.
Laut dem Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung, IAB, hat ein großer Teil der Betroffenen Probleme, wieder in Vollzeit zurückzukehren: „Mehr als ein Drittel der Frauen in Teilzeit möchte mehr arbeiten“, sagt IAB-Experte Enzo Weber. Aber viele bekämen keine entsprechende Stelle, erklärt der Wirtschaftsprofessor. Eine weitere Karrierebremse sei, dass für Teilzeitbeschäftigte in Betrieben oft keine Möglichkeiten angeboten werden, sich weiterzubilden.
In der Präambel des Koalitionsvertrags von 2013 versprachen Union und SPD Frauen „das Recht, aus einer Teilzeitbeschäftigung wieder in eine Vollzeitstelle zurückzukehren“. Während die Frauenquote in Aufsichtsräten nach breiter Debatte 2015 beschlossen wurde, blieb es um das Millionen Menschen betreffende Thema Teilzeit still. Im Frühjahr protestierten der Deutsche Gewerkschaftsbund und Frauenverbände für die Einhaltung des Koalitionsversprechens. Auch die Opposition hat das Thema erkannt. „Man kann nicht über den Fachkräftemangel klagen und Frauen die Möglichkeit nehmen, mehr zu arbeiten“, sagt die Grünen-Arbeitsmarktsprecherin Brigitte Pothmer. „Das ist eine ungeheure Vergeudung von Ressourcen.“ Das Problem habe sich sogar noch verschärft, kritisiert die Abgeordnete: „Immer mehr Frauen arbeiten immer weniger Stunden. Das führt in die Altersarmut.“
Nun kommt Bewegung in die Debatte: Nach Informationen unserer Zeitung hat SPD-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles jetzt einen Gesetzentwurf fertiggestellt, der sich „in der Frühkoordinierung im Bundeskanzleramt“befindet. Allerdings ist offen, was von Nahles’ Reformplänen übrig bleibt, wenn der Entwurf durch die Abstimmung der anderen Ministerien und dann durch das Kabinett geht. Die SPDBundestagsfraktion will Druck machen: „Wir stehen zum Koalitionsvertrag,
SPD warnt vor Anstieg der Altersarmut
deshalb wollen wir das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen“, sagte SPD-Arbeitsmarkt-Sprecherin Katja Mast unserer Zeitung. Das Gesetz solle verhindern, dass der Verzicht auf Vollzeit zur Karrierefalle werde: „Wir gehen davon aus, dass auch unser Koalitionspartner zu den im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen steht und endlich für so viele Frauen in Teilzeit diese Falle beendet.“
Für bestehende Teilzeitjobs solle die Beweislast vom Arbeitnehmer künftig auf den Arbeitgeber verlagert werden, ob die Rückkehr zur Vollzeit mit der wirtschaftlichen Situation des Betriebs vereinbar ist. „Zweitens wollen wir das Recht auf befristete Teilzeit einführen“, betont Mast. Dies schaffe auch für Arbeitgeber Planungssicherheit. Die Reform sei dringend nötig: „Bleiben Menschen in der Teilzeitfalle stecken, reicht ihr Einkommen nicht für die Absicherung vor Altersarmut.“Warum Teilzeit eine Karrierefalle ist, und was Betroffene tun können, lesen Sie in der Politik.