Donau Zeitung

Weihnachts­feiern: Wie wild geht es da zu?

Gastronomi­e Nicht der Alkoholkon­sum der Gäste stresst Wirte. Sondern zum Beispiel eine Zunge

- VON CORDULA HOMANN

Wie feiern Unternehme­n Weihnachte­n? Und wann? Gehört eine Rede dazu und fließt vielleicht sehr viel Alkohol? »Lokales

Gundelfing­en/Gottmannsh­ofen Wilde Weihnachts­feiern? Das war früher, sagt Bernhard Delle vom Gasthaus Sonne in Gundelfing­en, da wurde mal auf den Tischen getanzt. Ehefrau Jutta erinnert sich, wie sie durch Zufall mal unter eine große Tafel guckte. Dort ging es wüst zu, ganz anders als oben über der Tischplatt­e. „Und nichts, was sich unter der Platte berührte, gehörte zusammen“, ergänzt eine Mitarbeite­rin im Vorbeigehe­n und lacht. Doch weil immer seltener die Chefs einen Schnaps nach dem anderen bezahlen und immer weniger Mitarbeite­r ihren Führersche­in riskieren wollen, werde längst nicht mehr so viel Alkohol getrunken. Nur noch selten wird es richtig spät, etwa, weil jemand im Suff nicht nach Hause will. Delles finden das gut, schließlic­h fängt ihr Tag aufgrund der hauseigene­n Metzgerei um 5 Uhr morgens an. Am besten gefällt ihnen diese jährliche Weihnachts­feier: Die Azubis einer großen Firma im Landkreis schalten ihre Handys aus, ziehen sich schick an und sorgen für eine schöne Unterhaltu­ng während des Abends. So etwas Stilvolles wie von den jungen Leuten gebe es nicht oft in den Wochen von Mitte November bis Ende Januar, wenn die Firmen feiern.

Nein, es ist nicht mehr der Alkoholkon­sum der Gäste, der Bernhard Delle zu schaffen macht, sondern der stressbedi­ngte „Tunnelblic­k“seiner Frau. Das Paar betreibt nicht nur den Gasthof und eine Metzgerei, sondern züchtet auch sehr erfolgreic­h Angusrind. Das wird auch auf Märkten in der ganzen Region verkauft. Vor Weihnachte­n nehmen die Mitarbeite­r überall Bestellung­en der Kunden auf, und Jutta Delle kümmert sich darum, dass pünktlich überall das richtige Stück Fleisch ankommt. Vor Weihnachte­n seien die Kunden sehr sensibel. Alles soll passen, wenn die Familie zusammenko­mmt, auch das Essen.

Diese Vorstellun­gen zu erfüllen, das kostet die 53-Jährige so viel Kraft, dass das Paar kaum Zeit für sich hat. Der Gatte klagt: „Für mich ist der Dezember eine Katastroph­e. Meine Frau tut alles dafür, dass beim Kunden alles passt.“Trotz des gewaltigen Einsatzes ging im vergangene­n Jahr ein Stück Fleisch verloren. In Senden (Kreis Neu-Ulm) fehlte eine gepökelte Rinderzung­e. Nach vielen Telefonate­n tauchte das Stück auf dem Wochenmark­t in Günzburg auf. Weil überhaupt keiner Zeit hatte, rief Jutta Delle in ih- rer Not einen Taxifahrer in Günzburg an. „Das ist jetzt nicht Verstehen Sie Spaß“, sagte sie zu ihm. „Sie müssen eine Zunge von Senden nach Günzburg fahren, das ist mein voller Ernst.“Als der Taxifahrer nach dem Lachen wieder Luft bekam, düste er los und machte eine Familie, für die die gepökelte Rinderzung­e zu Heiligaben­d dazugehört wie der geschmückt­e Christbaum, überglückl­ich. Bei Delles machten dann Witze wie „ob die Zunge angegurtet war?“die Runde.

Die Wirtsleute selbst genießen an Heiligaben­d traditione­ll Bratwürste, bevor dann ab 25. Dezember wieder der Trubel im Restaurant beginnt.

Bei Josef Stark gibt es am 24. Dezember Geschwolle­ne mit Kartoffels­alat. „Sonst würde mir was fehlen“, sagt der Wirt, dem der Landgastho­f Stark in Gottmannsh­ofen gehört. Auch dort konsumiere­n die Gäste bei den Weihnachts­feiern nicht mehr so viel Alkohol wie früher. Mehr will er nicht verraten, „ich unterliege da der Schweigepf­licht“, sagt der 43-Jährige verschmitz­t. Er ist froh, dass nicht mehr so viel getrunken wird. Die Gäste würden auf ihren Führersche­in und ihr Ansehen achten. Manchmal bremsen sich Kollegen gegenseiti­g, wenn einem Schnaps, Glühwein, heißer Hugo oder das hauseigene Glühbier der Starks zu gut schmeckt. Manche Firmen laden Mitarbeite­r und Ehepartner zum Sonntagsbr­unch ein, da sei Alkohol ohnehin kaum Thema.

Andere lassen sich von Stark das Essen samt Glühweinba­r zum Unternehme­n bringen. Dass die Chefs dann ein paar Worte sagen, das gehört dazu. Von „Schön, dass ihr da seid, lasst es euch schmecken“bis zum 30-Minuten-Monolog sei da alles dabei. Tombola, Theaterstü­cke, Ehrungen oder Jahresrück­blicke gibt es teils dazu.

Auf den Tellern hat Stark einen Trend zum Traditione­llen festgestel­lt. „Kaum jemand macht sich zu Hause noch einen Braten, da ist ein Single ja eine ganze Woche dran.“Ob geschmorte Ochsenback­en, Kalbsrahmb­raten, Ente, Rinderbrat­en oder ein fränkische­s Scheufele, das sei es, was die Gäste wollen, und der gelernte Koch serviert es gerne. Der Dezember sei in der Gastronomi­e der heftigste Monat. Deswegen freut sich Stark auf den Betriebsur­laub ab 6. Januar.

 ??  ?? Josef Stark, gelernter Koch und Metzger, Betreiber des Landgastho­fs Stark in Gottmannsh­ofen.
Josef Stark, gelernter Koch und Metzger, Betreiber des Landgastho­fs Stark in Gottmannsh­ofen.
 ??  ?? Jutta und Bernhard Delle vom Gasthof Sonne in Gundelfing­en.
Jutta und Bernhard Delle vom Gasthof Sonne in Gundelfing­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany