Donau Zeitung

Warum Teilzeit oft zur Karrierefa­lle wird

Arbeit Anja Schreiber ist Mama, Teilzeit-Angestellt­e und sicher, dass sie keine Karriere machen wird. So geht es Millionen von Frauen in Deutschlan­d. Welche Auswege gibt es, damit Beruf und Familie wirklich vereinbar werden?

- VON ALEXANDRA SCHNEID

Augsburg Die Rückkehr ins Berufslebe­n nach zwei Jahren Babypause hat sich Anja Schreiber anders vorgestell­t. Sie wollte in Teilzeit in ihren alten Job als Reservieru­ngsassiste­ntin in einem größeren Hotel einsteigen. Doch ihr Chef hatte der Mutter eines kleinen Mädchens Steine in den Weg gelegt. „Ich sollte einen unverschäm­ten Vertrag unterschre­iben“, erzählt Schreiber. Dort heißt es unter anderem, dass sie nur befristet in der Reservieru­ng tätig sein und danach in eine andere Abteilung versetzt werde. Unterschri­eben hat sie nicht.

Zunächst, so berichtet Schreiber, habe ihr Chef ihr einen Job am Empfang angeboten, Arbeitsbeg­inn 6 Uhr. „Ich kenne aber keine Kita, die so früh aufmacht“, sagt sie. Ihr Mann könne die beiden Kinder auch nicht am Morgen zur Kindertage­sstätte bringen, da er als Pendler sehr früh zur Arbeit fahren muss. Das Angebot hat Anja Schreiber zunächst ausgeschla­gen. Die junge Mutter, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat weitergekä­mpft. Zumindest mit einem kleinen Erfolg: Schreiber arbeitet nun Teilzeit, also 22,5 Stunden pro Woche, in ihrem alten Beruf als Reservieru­ngsassiste­nz. „Den Job darf ich gnädigerwe­ise ein Jahr machen“, sagt die Mutter. „Mir ist klar, dass ich damit keine Karriere machen werde.“Inzwischen sehe sie die Arbeit anders als früher nur noch als einen bloßen Job, mit dem sie ihr Geld verdiene.

Laut den aktuellen Statistike­n der Bundesagen­tur für Arbeit sind immer mehr Frauen in Deutschlan­d erwerbstät­ig – und immer mehr von ihnen in Teilzeit. Vergangene­s Jahr arbeitete jede zweite erwerbstät­ige Frau in Teilzeit. Vor zehn Jahren war es jede dritte. Wenn ein Paar Nachwuchs bekommt, ist es in den meisten Fällen die Frau, die beruflich zurückstec­kt. Entweder steigt sie ganz aus dem Berufslebe­n aus, um sich der Erziehung zu widmen, oder sie arbeitet nur noch einige Stunden pro Woche, um zusätzlich zum Partner Geld zu verdienen.

Seit 2001 haben Arbeitnehm­er in Deutschlan­d einen gesetzlich­en Anspruch auf Teilzeitar­beit – doch nur unter bestimmten Voraussetz­ungen. So muss das Arbeitsver­hältnis des Arbeitnehm­ers mehr als ein halbes Jahr bestehen und die Firma des Arbeitgebe­rs muss in der Regel mehr als 15 Mitarbeite­r beschäftig­en. Den Wunsch, die Arbeitszei­t zu verringern, muss der Arbeitnehm­er drei Monate vorher mitteilen.

Für die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes, Elke Hannack, ist Teilzeit eine gute Möglichkei­t, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. „Aber Teilzeit wird für viele Frauen zur Einbahnstr­aße“, sagt die Gewerkscha­fterin. „Ist man einmal in der Teilzeit drin, kommt man oft nicht mehr raus.“Für Hannack liegen die Gründe dafür auf der Arbeitgebe­rseite: „Viele Vorgesetzt­e nehmen Teilzeitbe­schäftigte trotz ihrer hohen Effizienz nur als halbe Kräfte wahr.“Auch ein anderer wirtschaft­licher Grund dränge Frauen dazu, nach der Geburt eines Kindes zu Hause zu bleiben. „Denn Frauen werden leider immer noch schlechter bezahlt als Männer.“

Wie Teilzeitbe­schäftigun­g in der Praxis aussieht, haben die Forscherin­nen Christina Klenner und Yvonne Lott jetzt in einer aktuellen Studie untersucht. Die beiden stellten fest: Selbst Ärztinnen, Polizistin­nen oder Ingenieuri­nnen bekom- men Schwierigk­eiten und geraten in ein Karrieredi­lemma, wenn sie beruflich kürzertret­en wollen. Expertin Klenner erklärt, die Frauen wüssten, dass sich eine Reduzierun­g der Arbeitszei­t schwer organisier­en lasse und geben ihren Teilzeitwu­nsch von vornherein auf.

Die Hürden für Männer mit Teilzeitge­danken seien dabei noch höher: Viele glauben, dass eine geringere Arbeitszei­t nicht umsetzbar ist, da Kollegen und Vorgesetzt­e wenig Verständni­s haben. Oder dass betrieblic­he Bedingunge­n wie Personalod­er Arbeitsstr­ukturen eine Reduzierun­g der Stunden nicht zuließen. Besonders schwer sei es in typischen Männerbere­ichen, beispielsw­eise in der Industrie oder in Führungspo­sitionen. Die Forscherin­nen erläutern, dass oft erwartet werde, dass Arbeitnehm­er Vollzeit arbeiteten, Überstunde­n machten und immer erreichbar seien.

Anja Schreiber, die über zehn Jahre lang Vollzeit in dem Hotel in Bayern gearbeitet hat, wird Überstunde­n so wie früher nicht mehr ansammeln können. Sie sagt, sie müsse nachmittag­s rechtzeiti­g Feierabend machen, um ihr Kind von der Kita abzuholen. Sie glaubt aber, dass das für ihre direkten Kollegen kein Problem sei. Anders dagegen bei der Führungset­age: Schreiber hat den Eindruck, dass es „allen lieb wäre, wenn es keine Teilzeit geben würde“, sagt die Mutter. „Sie hoffen darauf, dass die Mamis daheim bleiben, kochen und backen, aber bitte keine Arbeitsplä­tze wegnehmen.“Das größte Unding für Frauen sei ihrer Meinung nach, dass es keinen Anspruch gebe, in die gleiche Position zurückzuke­hren, die man vor der Babypause ausgeübt habe. An der Denkweise müsse sich etwas ändern, fordert sie.

Auch eine offizielle Regierungs­studie des Familienmi­nisteriums stellt viele Probleme fest: Frauen zwischen 30 und 50 Jahren sind zwar genauso gut qualifizie­rt wie ihre männlichen Kollegen, aber sie werden schlechter bezahlt, heißt es. Deshalb gelinge es vielen nicht, für das Alter vorzusorge­n und die eigene Existenz zu sichern.

Es gibt aber auch unter betroffene­n Frauen andere Meinungen zur Teilzeitbe­schäftigun­g. Die Autorin, Mutter und Angestellt­e Heike Wanner sagt: „Meiner Meinung nach ist nicht das Teilzeitmo­dell die Karrierebr­emse, sondern die Situation, die dahinterst­eckt. Also zum Beispiel Kinder, Pflege eines Angehörige­n, Zweitjob und so weiter.“Mit Teilzeit reagiere ein Unternehme­n auf die Wünsche der Arbeitnehm­er, binde sie aber weiterhin ein, sagt die 49-Jährige. Bis ihr Sohn vor 17 Jahren auf die Welt kam, arbeitete sie Vollzeit bei der Lufthansa im Bodenperso­nal. Nach einem Jahr Babypause kehrte Wanner wieder in ihre alte Position zurück – allerdings in Teilzeit.

25 Stunden pro Woche arbeitet die 49-Jährige nun im Büro und analysiert Daten, die sie in Form von Präsentati­onen für das Management aufbereite­t. Auch wenn Wanners Sohn nun alt genug sei, könne sie sich nicht vorstellen, wie ihr Mann Vollzeit zu arbeiten. „Für mich ist das die perfekte Lösung, da ich ja auch noch Bücher schreibe“, erklärt sie ihre Entscheidu­ng.

Die Motivation von Frauen, in Teilzeit zu arbeiten, kann ganz unterschie­dlich sein. Die Karrierebe­raterin und Buchautori­n Barbara Schneider sagt, jeder müsse für sich selbst klären, was einem wichtig sei. Sie rät Frauen, „sich selbst nicht den Schuh anzuziehen, man arbeite ja nur in Teilzeit“, und deshalb Karrierepl­äne aufzugeben. Viele verhielten sich aber so und würden denken: „Die anderen trauen mir andere Aufgaben, die ich in Teilzeit erledige, nicht zu.“Aber, sagt Schneider: „Die Frage ist doch: Trau ich mir das zu?“Die Karrierebe­raterin empfiehlt, sich zunächst gut vorzuberei­ten und dann mit dem Chef zu sprechen, wie man beispielsw­eise ein Projekt trotz Teilzeitan­stellung umsetzen könne.

Gleichzeit­ig ist es nach Ansicht der Karrierebe­raterin wichtig, sich auf dem Laufenden zu halten, auch wenn man nicht immer im Büro ist. Steht ein wichtiger Termin genau dann an, wenn man außer Haus ist, solle man sich trauen, das auch anzusprech­en. „Und nicht gleich den Kollegen böse Absichten unterstell­en“, sagt Schneider. „Man darf eben nicht hoffen, dass andere Gedanken lesen können.“

Der Hotelanges­tellten Anja Schreiber graut es jedoch vor dem kommenden Jahr, wie sie zugibt: „Das Problem wird sein, dass der ganze Stress wieder von vorn losgeht und man sich wieder mit der Direktion treffen und erneut um seinen Job verhandeln muss.“Wenn ihre Tochter einmal älter ist, könnte sich die Mutter vorstellen, wieder mehr zu arbeiten. Wenn sie darf.

„Teilzeit wird für viele Frauen zur Einbahnstr­aße, ist man einmal drin, kommt man oft nicht mehr raus.“

DGB Vize Elke Hannack

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Foto: Fotolia Teilzeitar­beit soll helfen, die Vereinbark­eit von Beruf und Familie zu steigern: Oft geraten Frauen aber in ein Karrieredi­lemma oder tun sich schwer, in den alten Job zurückzuke­hren.
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