Donau Zeitung

Weihnachte­n verboten?

Bildung Ankara sorgt mit einem angebliche­n Erlass für Wirbel an einer Eliteschul­e. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Eigentlich haben sich die muslimisch­en Türken ganz gut mit dem christlich­en Weihnachts­fest arrangiert. Das Fest wird kurzerhand zum Neujahrsfe­st umdeklarie­rt, mit Neujahrsbä­umen, -geschenken und geschmückt­en Straßen.

Doch einigen Hardlinern in der türkischen Bürokratie geht das offenbar gegen den Strich. Die Schulbehör­de im Istanbuler Stadtteil Bahcelievl­er warnte schon vor einigen Tagen, Bräuche wie das Baumschmüc­ken könnte die Schüler psychologi­sch beeinträch­tigen und hätten deshalb zu unterbleib­en. Ein ähnlicher Ukas sorgt jetzt an einer Istanbuler Eliteschul­e für Streit, die zum Teil mit deutschen Steuergeld­ern finanziert wird.

Laut der Nachrichte­nagentur dpa teilte die Leitung der deutschen Abteilung der Eliteschul­e Istanbul, Erkek Lisesi, den 35 deutschen Lehrern dort mit, dass Weihnachte­n ab sofort im Unterricht nicht mehr erwähnt werden dürfe. Auch das Singen von Weihnachts­liedern sei verboten. Die Teilnahme des Schulchors am Weihnachts­singen im deutschen Generalkon­sulat von Istanbul wurde demnach abgesagt.

Der Vorsitzend­e des Menschenre­chtsaussch­usses im türkischen Parlament, Mustafa Yeneroglu, dementiert­e die Meldung. Es gebe keine Anordnung von offizielle­r türkischer Seite. Eine Weihnachts­feier an der Schule sei von der deutschen Schulleitu­ng abgesagt worden. Yeneroglu sprach von Falschmeld­ungen, die der Presse zugespielt worden seien.

Das Istanbul Erkek Lisesi ist nicht irgendeine Schule. In einem strengen Auswahlver­fahren erhalten nur die besten türkischen Schüler die Möglichkei­t, an einer der angesehens­ten Schulen des Landes ohne Schulgebüh­ren ihren Abschluss und auch das deutsche Abitur zu machen. Das Gymnasium wird von der Bundesrepu­blik unterstütz­t, die deutschen Lehrer werden von Berlin bezahlt, nicht von Ankara.

Nicht zum ersten Mal sorgt die türkische Leitung des Istanbul Erkek Lisesi in diesem Jahr für Wirbel. Im Juni bat der türkische Schulleite­r Hikmet Konar den deutschen Generalkon­sul Georg Birgelen, auf eine Rede bei der Abiturfeie­r des Gymnasiums zu verzichten wegen der kurz zuvor gefallenen Bundestags­entscheidu­ng zur Armenierfr­age.

Bei der Feier im Juni drehten die Schüler dem türkischen Direktor bei dessen Rede demonstrat­iv ihren Rücken zu und begründete­n die Protestakt­ion mit einem wachsenden konservati­ven Kurs an der Schule. So würden Schülerinn­en gezwungen, bei Musikveran­staltungen Hosen zu tragen statt Röcke. Von einer Atmosphäre des Drucks berichtete­n die Schüler schon damals.

Kritiker werfen der Regierungs­partei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, ihre eigenen muslimisch-konservati­ven Wertvorste­llungen allen Bürgern aufzwingen zu wollen. Die AKP verneint das. Allerdings gibt es im türkischen Bildungssy­stem schon seit längerem einen sehr konservati­ven Trend.

 ?? Foto: Linda Say, dpa ?? Der „Tatort“: die Istanbuler Eliteschul­e Lisesi.
Foto: Linda Say, dpa Der „Tatort“: die Istanbuler Eliteschul­e Lisesi.

Newspapers in German

Newspapers from Germany