Männer, Muskeln, Monumentalität
Tanz Das Bayerische Staatsballett führt als erste westliche Compagnie „Spartacus“auf. Ein Bravourstück – mit einem Weltstar mittendrin
München Es gab einigen Wirbel am Bayerischen Staatsballett, als sich im Sommer der bisherige, 18 Jahre wirkende Chef Ivan Liska verabschiedete und Igor Zelensky, ehemals international gefragter Startänzer, die Leitung übernahm. Viele der erstklassigen und vom Publikum wie der Kritik geschätzten Tänzer wurden nicht übernommen oder gingen freiwillig, weil sie mit der, wie es hieß, wenig umgänglichen und autoritären Art Zelenskys nicht klarkämen. Der musste sich zudem vorwerfen lassen, seinen Aufgaben in München nur halbherzig nachzukommen, weil er weiterhin auch künstlerischer Leiter des Stanislawsky-Balletts in Moskau blieb. Mittlerweile hat Igor Zelensky sein Amt in der russischen Hauptstadt jedoch aufgegeben und angesichts der Qualität der neuen Compagnie sowie der Verpflichtung von Weltstars wie Sergei Polunin als Gästen hat sich der Sturm erst einmal gelegt.
Nun stand die erste Neuproduktion unter der Leitung Zelenskys auf dem Spielplan: Aram Chatschaturjans „Spartacus“in der Choreografie von Yuri Grigorovich aus dem Jahr 1968, ein Stück Ballettgeschichte, Aushängeschild des Bolschoi-Theaters in Moskau, bisher noch nie von einer westlichen Compagnie aufgeführt. Die Auswahl dieses Stückes ist auch ein Statement des neuen Chefs: klassisches Handlungsballett, das in der Bewegungssprache allerdings über das klassische Vokabular hinausweist und in seinen Anforderungen an Technik und Ausdruck eminent ist.
Das Ballett führt ins Jahr 71 v. Christus, als Spartacus vom römischen Feldherrn Crassus gefangen genommen wird und zu dessen Belustigung als Gladiator kämpfen muss. Als er gezwungen wird, einen Freund im Kampf zu töten, zettelt er zusammen mit anderen Sklaven einen Aufstand an, bei dem er Crassus zunächst besiegen kann, dann aber doch der Rache des tief gede- mütigten Feldherrn zum Opfer fällt. Diese Handlung aus Macht, Revolution und Gerechtigkeit verwebt sich mit der Liebesgeschichte von Spartacus und seiner Frau Phrygia, die durch Crassus getrennt werden.
Ein Monumental-Schinken, würde man sagen, wenn es sich um einen Film handeln würde, aber man kann den Ausdruck getrost aufs Ballett übertragen. Massive Säulen markieren das Bühnenbild, die Musik Aram Chatschaturjans dröhnt in weiten Teilen bombastisch und pathetisch, die Choreografie Grigorovichs ist geprägt durch ein Höchstmaß an Kraft, Athletik und Energie. „Spartacus“ist ein muskelstrotzendes Männerballett, eines, in dem die Tänzer in unheimlicher Geschwindigkeit über die Bühne drehen, so hoch springen wie selten gesehen, ihre Partnerinnen einarmig in die Höhe heben und in Massenszenen aufmarschieren und sich in artistische Kampfhandlungen stürzen. Während Ersteres zum Staunen bringt und begeistert, wirken die Ensemble-Formationen in ihrer Schablonenhaftigkeit – Schwert nach rechts, Schwert nach links, Schwert nach vorn – karikierend.
So befremdlich der heroische Grundgestus dieses Stückes heute wirkt, so überzeugend ist, wie die vier Protagonisten psychologisch gezeichnet werden, dramaturgisch konstruiert als Solopartien und in einem betörend schönen Pas de deux: die beiden Gegenspieler Spartacus und Crasssus, der eine aufrecht und gefühlvoll; der andere eitel, grausam und machtversessen. Dementsprechend ihre beiden Partnerinnen, die zarte und wahrhaftig liebende Phrygia, und Aegina, die frivole, von Ehrgeiz getriebene Gespielin des Crassus. Mit Osiel Gouneo (Spartacus), Sergei Polunin (Crassus), Ivy Amista (Phrygia) und Natalia Osipova (Aegina) wurde die Premiere zum Ereignis, das die Zuschauer mit tosendem Beifall bedachten. O
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