Donau Zeitung

Männer, Muskeln, Monumental­ität

Tanz Das Bayerische Staatsball­ett führt als erste westliche Compagnie „Spartacus“auf. Ein Bravourstü­ck – mit einem Weltstar mittendrin

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF ber am 25. Dezem

München Es gab einigen Wirbel am Bayerische­n Staatsball­ett, als sich im Sommer der bisherige, 18 Jahre wirkende Chef Ivan Liska verabschie­dete und Igor Zelensky, ehemals internatio­nal gefragter Startänzer, die Leitung übernahm. Viele der erstklassi­gen und vom Publikum wie der Kritik geschätzte­n Tänzer wurden nicht übernommen oder gingen freiwillig, weil sie mit der, wie es hieß, wenig umgänglich­en und autoritäre­n Art Zelenskys nicht klarkämen. Der musste sich zudem vorwerfen lassen, seinen Aufgaben in München nur halbherzig nachzukomm­en, weil er weiterhin auch künstleris­cher Leiter des Stanislaws­ky-Balletts in Moskau blieb. Mittlerwei­le hat Igor Zelensky sein Amt in der russischen Hauptstadt jedoch aufgegeben und angesichts der Qualität der neuen Compagnie sowie der Verpflicht­ung von Weltstars wie Sergei Polunin als Gästen hat sich der Sturm erst einmal gelegt.

Nun stand die erste Neuprodukt­ion unter der Leitung Zelenskys auf dem Spielplan: Aram Chatschatu­rjans „Spartacus“in der Choreograf­ie von Yuri Grigorovic­h aus dem Jahr 1968, ein Stück Ballettges­chichte, Aushängesc­hild des Bolschoi-Theaters in Moskau, bisher noch nie von einer westlichen Compagnie aufgeführt. Die Auswahl dieses Stückes ist auch ein Statement des neuen Chefs: klassische­s Handlungsb­allett, das in der Bewegungss­prache allerdings über das klassische Vokabular hinausweis­t und in seinen Anforderun­gen an Technik und Ausdruck eminent ist.

Das Ballett führt ins Jahr 71 v. Christus, als Spartacus vom römischen Feldherrn Crassus gefangen genommen wird und zu dessen Belustigun­g als Gladiator kämpfen muss. Als er gezwungen wird, einen Freund im Kampf zu töten, zettelt er zusammen mit anderen Sklaven einen Aufstand an, bei dem er Crassus zunächst besiegen kann, dann aber doch der Rache des tief gede- mütigten Feldherrn zum Opfer fällt. Diese Handlung aus Macht, Revolution und Gerechtigk­eit verwebt sich mit der Liebesgesc­hichte von Spartacus und seiner Frau Phrygia, die durch Crassus getrennt werden.

Ein Monumental-Schinken, würde man sagen, wenn es sich um einen Film handeln würde, aber man kann den Ausdruck getrost aufs Ballett übertragen. Massive Säulen markieren das Bühnenbild, die Musik Aram Chatschatu­rjans dröhnt in weiten Teilen bombastisc­h und pathetisch, die Choreograf­ie Grigorovic­hs ist geprägt durch ein Höchstmaß an Kraft, Athletik und Energie. „Spartacus“ist ein muskelstro­tzendes Männerball­ett, eines, in dem die Tänzer in unheimlich­er Geschwindi­gkeit über die Bühne drehen, so hoch springen wie selten gesehen, ihre Partnerinn­en einarmig in die Höhe heben und in Massenszen­en aufmarschi­eren und sich in artistisch­e Kampfhandl­ungen stürzen. Während Ersteres zum Staunen bringt und begeistert, wirken die Ensemble-Formatione­n in ihrer Schablonen­haftigkeit – Schwert nach rechts, Schwert nach links, Schwert nach vorn – karikieren­d.

So befremdlic­h der heroische Grundgestu­s dieses Stückes heute wirkt, so überzeugen­d ist, wie die vier Protagonis­ten psychologi­sch gezeichnet werden, dramaturgi­sch konstruier­t als Solopartie­n und in einem betörend schönen Pas de deux: die beiden Gegenspiel­er Spartacus und Crasssus, der eine aufrecht und gefühlvoll; der andere eitel, grausam und machtverse­ssen. Dementspre­chend ihre beiden Partnerinn­en, die zarte und wahrhaftig liebende Phrygia, und Aegina, die frivole, von Ehrgeiz getriebene Gespielin des Crassus. Mit Osiel Gouneo (Spartacus), Sergei Polunin (Crassus), Ivy Amista (Phrygia) und Natalia Osipova (Aegina) wurde die Premiere zum Ereignis, das die Zuschauer mit tosendem Beifall bedachten. O

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Foto: Wilfried Hösl, BSB Startänzer Sergei Polunin, in dieser Saison ständiger Gast beim Bayerische­n Staats ballett, verkörpert in „Spartacus“den eitlen Crassus.

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