„Wir würden ihn nie wieder hergeben“
Porträt Es ist eine Geburt, die wir heute feiern. Als Daniel Sporer aus Unterglauheim vor sieben Jahren mit dem Down-Syndrom auf die Welt kam, war das für die Eltern erst einmal ein Schock. Heute ist Daniel ihr Sonnenschein
Unterglauheim Was er heute Abend gerne vom Christkind hätte, das weiß Daniel schon ganz genau. Einen Traktor wünscht sich der Siebenjährige. Und eine DVD von Pettersson und Findus. Ganz so wie viele Buben in seinem Alter. Und doch ist Daniel Sporer anders. Denn der aufgeweckte Bursche aus Unterglauheim wurde mit dem DownSyndrom geboren.
Es ist die Geburt eines Kindes, die wir heute feiern. Eine ganz besondere vor mehr als 2000 Jahren. In einem Stall bei Betlehem fand sie statt. Nach Monaten des Wartens und der Vorfreude auf das Kind, das da im Bauch seiner Mutter heranwuchs. Auch Familie Sporer hatte sich auf ihren Nachzügler gefreut. Als Cornelia Sporer mit ihrem dritten Kind schwanger wurde, war sie 37. Natürlich nicht mehr so jung wie bei den ersten beiden. Doch in ihrer Familie hatte es noch nie Probleme gegeben. „Meine Mutter hat vier Kinder, meine Tante sechs. Ich dachte: Warum soll es uns treffen?“
Trotzdem vereinbarte die Familie einen Termin zur Fruchtwasseruntersuchung. Doch dann unterhielt sich Cornelia Sporer mit einer guten Freundin, und die stellte ihr die Frage: „Willst du das Risiko der Untersuchung eingehen? Und was machst du, wenn herauskommt, dass etwas nicht stimmt?“Cornelia Sporer entschied sich schließlich gegen eine Fruchtwasseruntersuchung. Der Ultraschall war unauffällig. Und dann kam der Tag der Geburt. Als Daniel am 28. April 2009 gegen drei Uhr das Licht der Welt erblickte, war schnell klar: Da stimmt etwas nicht. Noch bevor sie ihren Sohn im Arm halten konnte, fiel der Mutter auf, dass im Kreißsaal getuschelt wurde. Dann kam eine Ärztin und fragte, ob die anderen beiden Kinder bei der Geburt auch so ein rundes Gesicht gehabt hätten. Und äußerte schließlich einen Verdacht: Trisomie 21 – DownSyndrom.
„Das war schon ein Schock. Bumm – und jetzt?“, erzählt die Mutter. Wenn sie ihren Sohn im Arm hielt, dann sei alles gut gewesen. Doch als er wieder in seinem Bettchen lag, da begannen die Gedanken zu kreisen. Kann das stimmen? Wie geht es jetzt weiter? „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.“Am Morgen dann der nächste Schock. Das Neugeborene wollte nicht richtig trinken, bekam zu wenig Sauerstoff. Ein Arzt stellte verdächtige Herzgeräusche fest. Daniel wurde ins Klinikum nach Augsburg verlegt. Und Cornelia Sporer blieb allein im Krankenhaus in Dillingen zurück. Mit ihr im Zimmer lag eine andere Mutter. Mit einem gesunden Kind. Als die Verwandten kamen, um den Neuankömmling zu begrüßen, war das Bettchen von Daniel leer: „Das war die Hölle für mich.“Zwei Wochen später, nach vielen Untersuchungen und einem Gentest, stand dann fest: Ja, es ist Trisomie 21. Behutsam brachte der Oberarzt der Familie die Diagnose näher, sprach auch mit den Geschwistern Nicole und Alexander. In der Zwischenzeit hatte Cornelia Sporer stundenlang das Internet durchforstet. Keine gute Idee, wie sie heute sagt. „Das hat es auch nicht besser gemacht.“
Als sie Daniel schließlich mit nach Hause nehmen durften, stand zumindest fest: Er geht ihm körperlich gut. Nur ein kleines Loch im Herz – kein schwerer Herzfehler oder andere Beeinträchtigungen, die bei Trisomie 21 häufiger auftreten. Trotzdem begannen die Sporers sofort mit der Förderung. Schon mit zehn Wochen war Daniel das erste Mal beim Physiotherapeuten, um den Muskelaufbau zu fördern. Heute ist der Siebenjährige ein aufgeweckter Bub, der ständig auf Achse ist. Obwohl, das mit dem Bub hört er gar nicht gerne. Denn ein Bua, das sind für ihn alle anderen – inklusive Schwester Nicole. Für sich hat Daniel einen eigenen Begriff. Er ist ein „Moa“– ein Mann eben. Körperlich ist der Siebenjährige, der auch an kreisrundem Haarausfall leidet, gesund. „Er braucht eben für alles ein bisschen länger“, sagt seine Mutter. Seine ersten Schritte machte er mit zweieinhalb. Papa sagte er mit zwei. Mama dauerte sehr viel länger. Sprechen fällt dem Siebenjährigen immer noch schwer. Auch trocken ist Daniel erst seit Kurzem. Im Angesicht der ersten Flugreise nach Ägypten im September stellten ihn die Eltern vor die Wahl: Pampers oder Spielzeug im Koffer. Daniel
„Das war schon ein Schock. Bumm – und jetzt?“
Cornelia Sporer „Er wird so geliebt. Es gibt keinen, der ihn nicht mag.“
Nicole Sporer
entschied sich für Spielzeug. Und die Windeln waren Geschichte. „Er war einfach nur zu bequem“, sagt Vater Gerhard Sporer und erzählt, wie gewieft der kleine Mann manchmal sein kann. Wie er, als der Papa einmal Zement zum Mauern anrührte, in einem unbeobachteten Moment gleich eine neue Portion fertigmachte.
Überhaupt: Unbeobachtet darf man den Wirbelwind eigentlich nie lassen. „Er kann ein Mordsschlawiner sein“, sagt der Vater. Und auch die Mutter sagt: „Wenn es ruhig ist, muss man sofort gucken, was los ist. Der hat Energie für drei.“Klar, sagen die Eltern, sei das stellenweise Wenn jetzt dann Ferien sind, gesteht die Mutter, sei sie nach zwei Wochen urlaubsreif. Sie ist froh, dass Daniel einen Platz in der Schule von Regens Wagner und auch in der Tagesstätte in Dillingen gefunden hat. Dort wird er bis 16 Uhr betreut. Natürlich, sagt Cornelia Sporer, habe sie da erst einmal ein schlechtes Gewissen gehabt. Doch in der Tagesstätte werde ihr Sohn viel besser gefördert, als sie das zu Hause könnte. „Und er geht gerne hin, da hat es noch nie Tränen gegeben.“Auch nicht im SVE-Kindergarten, den Daniel vorher besucht hat. Wie sich der Siebenjährige noch entwickeln wird, ob er später einmal lesen oder rechnen können wird, das kann momentan niemand sagen. Jeanstrengend. des Kind mit Down-Syndrom ist anders. Die Sporers haben ihren Sohn so angenommen, wie er ist. „Wir würden ihn nie wieder hergeben“, sagen sie bestimmt. „Er wird so geliebt. Es gibt keinen, der ihn nicht mag“, fügt Schwester Nicole an, die in der Grundschule sogar ein Referat über ihren „besonderen Bruder“gehalten hat. Gehadert, sagt Cornelia Sporer, habe sie mit der Situation nie. Sie habe sich nie gefragt, was gewesen wäre, wenn sie doch zur Fruchtwasseruntersuchung gegangen wäre. „Da will ich gar nicht drüber nachdenken.“Geholfen hat ihr aber eine MutterKind-Kur, als Daniel zwei Jahre alt war. Dort waren auch Eltern mit Kindern, die schwerstbehindert waren: „Da hat man gemerkt: Es hätte schlimmer kommen können.“
Und dann steht Daniel, der nach einigen Überredungskünsten den Schlafanzug angezogen hat, wieder in der Küche in Unterglauheim. Er fällt seinem Papa um den Hals, drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Und achtet streng darauf, dass der Besuch seiner Schwester, seiner „Maus“, wie er sie nennt, zum Abschied richtig kräftig die Hand schüttelt. Die Umgangsformen müssen eingehalten werden. Da ist der kleine „Moa“eisern.