Eine Traumkarriere auf zwei schrägen Rädern
Sport Reportage Der Wittislinger Ex-Fußballer Manfred Sing gewinnt nach einem schrecklichen Unfall wieder an Boden und vollbringt bei wichtigen Ballspiel-Turnieren Meisterhaftes
Manfred Sing sitzt als Mitfahrer bei der Rückkehr vom Fußballtrainingslager hinten, als das viel zu schnelle Auto aus der letzten Kurve auf der Straße vor Zöschlingsweiler herausschleudert und sich mehrfach überschlägt. Der begeisterte, erfolgreiche Mittelfeldspieler überlebt schwer verletzt. Diagnose: Bruch des ersten Lendenwirbels. Die Folge: Querschnittslähmung. Mit 18 Jahren. Der Wittislinger muss viele Monate im Krankenhaus verbringen und denkt darüber nach, wie damit am besten umzugehen sei. „Man kann in so einer Situation nicht sofort umdenken, sondern muss mit viel Geduld in die neue Rolle hineinwachsen“, erklärt der heute 53-Jährige mit einigem Abstand von diesem schrecklichsten Ereignis eines Menschenlebens. Verständlich, dass der frustrierte Ex-Kicker vom Thema Sport erst mal gar nichts mehr wissen wollte. Doch Fußballer können nun mal hartnäckige Typen sein: Denn bald sollten sich positives Denken und unheimlicher körperlicher Einsatz als die richtige Taktik erweisen. Waren sie doch die Fundamente für eine neue Karriere, diesmal als Rollstuhl-Athlet im Basketball. Heute kann der ruhige und besonnen wirkende Ballkünstler auf wahre Meisterleistungen zurückblicken. Mit seiner speziellen Korbwurftechnik schleuderte sich der gezeichnete Mann an die deutsche Spitze dieser Sparte, sammelte Sieg um Sieg und entsprechend viele Pokale. Zudem vertrat er sein Heimatland ein halbes Jahrzehnt lang als Mitglied des Nationalteams bei internationalen Turnieren. Ein Hinweis auf das große sportliche Talent des Manfred Sing ist auch sein Aufstieg als Tennisspieler ab dem Jahr 1991.
Doch der gleichzeitige Umgang mit dem großen Ball und der kleineren Filzkugel forderte seinen Preis: Fünf bis sechs Trainingseinheiten pro Woche, dazu Großveranstaltungen über mehrere Tage und an Veranstaltungsorten wie Schweiz, Österreich, Belgien und sogar USA was als Stresspensum schon für einen „normalen“Athleten gilt, belastet einen „Rollifahrer“noch weitaus mehr.
Doch auch das meisterte der ehrgeizige Mann aus Nordschwaben über etliche Jahre. Er blieb gewissermaßen stets am Ball, zumal Rollstuhltennis, das vor rund 40 Jahren in den USA populär wurde und heute immer mehr Zulauf erhält, als attraktive Sportart gilt.
Das anfängliche Freizeitvergnügen mauserte sich zum Profisport. Als Reaktion auf die große Popularität wurde 1988 die Internationale Wheelchair Tennis Federation (IWTF) gegründet, damit diese Sparte weltweit gefördert und weiterentwickelt werden konnte. Seit 1992 zählt sie bei den alle vier Jahre abgehaltenen Paralympischen Spielen zu einer regulären Disziplin, bei den vier Grand-Slam-Turnieren der Welt duellieren sich auch Damen und Herren mit körperlichen Einschränkungen auf separaten Wettbewerben.
Die Fan-Schar der Akteure, deren Leistungen wegen der hinderlichen Umstände von Außenstehenden nicht hoch genug eingeschätzt werden können, wächst beständig. Matthias Ziegfeld, Referent für Rollstuhltennis beim Deutschen Tennis Bund, konnte beim Endspiel der 29. Deutschen Meisterschaften im oberschwäbischen Biberach 800 Zuschauer zählen. In der Vorrunde von Burgau mischte selbstverständlich auch der Spitzenspieler aus dem Landkreis Dillingen mit. Lange galt der gelernte Bankkaufmann als gefragter Mitspieler bei Ausscheidungen auf höchstem Niveau.
Doch jetzt hat der erfahrene Athlet bei seinem Vehikel – ein moderner Sportrollstuhl, starrer Rahmen, mit 20 Grad Radsturz für schnelle Wenden – aufs Bremspedal getreten: „Sehen Sie in mir ruhig einen Sportler-Rentner mit Ausstiegsgedanken“, begründet er schmunzelnd seine Entscheidung, kürzer zu treten. Fitness und Spaß erhofft sich der Sportler weiter beim FC Gundelfingen, wo er einst selbst kickte. Vorsicht: Die dortigen „Fußgänger“sollten die Klasse des behinderten Mannes nicht verkennen.
„Man kann in so einer Situation nicht sofort umdenken, sondern muss mit viel Geduld in die neue Rolle hineinwachsen.“
Manfred Sing, Wittislingen