Donau Zeitung

Netanjahus Heuchelei

Kommentar

- VON JENS SCHMITZ redaktion@augsburger allgemeine.de

Das ist ein Traditions­bruch mit Folgen. Der Beschluss des UNSicherhe­itsrates schwächt Israels Position in künftigen Friedensve­rhandlunge­n mit den Palästinen­sern. Und vor allem: Die USA haben ihn nicht verhindert, sondern sich enthalten. Angesichts der Machtverhä­ltnisse im Sicherheit­srat gibt es für Obamas Nachfolger Donald Trump kaum Chancen, das Votum zu korrigiere­n. Israels Regierung und ihre Fürspreche­r sind empört: Die Resolution sei einseitig, weil sie nur am Rand den Terror thematisie­rt, der von palästinen­sischen Ge- bieten ausgeht. Ihr Wortlaut lässt Spielraum für Interpreta­tionen.

Die Klage, der Beschluss verschlech­tere die Chancen für eine Zwei-Staaten-Lösung, ist Heuchelei: Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu hat an einer solchen Lösung kein Interesse und das auch offen zugegeben. Seine Siedlungsp­olitik zerstückel­t ihre Grundlage. Dass der US-Präsident Netanjahu persönlich keine Loyalität entgegenbr­ingt, hat der Israeli sich selbst zuzuschrei­ben: Obama hat im Bereich Sicherheit enger mit Israel zusammenge­arbeitet als je- der seiner Vorgänger. Netanjahu hat ihn dafür im US-Kongress wie auf der Weltbühne hintergang­en.

Obama tendiert dazu, seine Entscheidu­ngen an nationalen Interessen und an Sachargume­nten auszuricht­en, nicht an persönlich­er Befindlich­keit. Wer ihm unterstell­t, seine Enthaltung sei ein kleingeist­iger Racheakt, springt zu kurz. Ihre Wurzeln liegen weit eher in dem Versuch, die bisherige Rechtsbasi­s für künftige Verhandlun­gen zu erhalten – für eine Zeit nach Netanjahu, vielleicht aber auch nach Donald Trump.

Newspapers in German

Newspapers from Germany