Donau Zeitung

„Die Bürokratie macht einen krank“

Schicksal Nach seiner zweiten Knochenmar­ktransplan­tation ist Anton Thum wieder auf dem Damm. Was den Krebskrank­en belastet, ist die Existenzan­gst und der Papierkrie­g

- VON JOSEF KARG

Aichach Anton Thum ist ein Kämpfer. Einer wie er gibt nicht so leicht auf und lässt sich nicht hängen, auch wenn die Hoffnung nur vage ist. Der 45-Jährige ist an dem seltenen Blutkrebs Plasmozyto­m erkrankt, der bisher nicht heilbar ist. Zwei Knochenmar­ktransplan­tationen hat Thum hinter sich. Die zweite im Sommer dieses Jahres hat angeschlag­en. Die Krebszelle­n in seinem Blut sind fast auf null. Aber der Aichacher hat längst einen zweiten Gegner: die Gesundheit­sbürokrati­e.

Im Februar dieses Jahres hatte Thum Glück im Unglück. Wegen eines Lieferstop­ps stand das von ihm dringend benötigte Medikament Melphalan eigentlich nicht zur Verfügung. Die Stammzelle­ntransplan­tation war auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Für Thum wäre das möglicherw­eise einer Art Todesurtei­l gleichgeko­mmen. Nach einer Reportage in unserer Zeitung über sein Dilemma konnte er in ein Notfallpro­gramm aufgenomme­n und gerettet werden. Dann der nächste Rückschlag. Die erste Stammzelle­ntherapie schlug nicht an. Thum war verzweifel­t, hielt aber durch. Beim zweiten Versuch verschwand­en die Krebszelle­n im Blut fast ganz.

Eigentlich ist es für ihn jetzt eine Zeit zum Durchatmen. Der Oberbayer hat in den vergangene­n Monaten 15 Kilogramm abgenommen, denn er konnte die meisten seiner Medikament­e absetzen, die seinen Körper aufschwemm­ten.

Aber richtig zur Ruhe kommt er nicht. Denn die dreiköpfig­e Familie muss mit gerade mal 1147 Euro auskommen. Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Im März kommenden Jahres muss Thum trotz Krebs wieder als Baggerführ­er arbeiten. „Weil es finanziell so nicht weitergeht“, sagt er.

Eine kleine Mindererwe­rbsrente hält die Familie über Wasser – mehr staatliche Unterstütz­ung bekommt er nicht. Um einen weiteren Zuschuss von 400 Euro zu erhalten, müsste er sein Haus verkaufen. „Das kann ich meiner Familie nicht antun“, sagt er. Thum muss also wieder arbeiten.

Einerseits freut er sich darauf, weil er seinen Beruf immer gerne ausgeführt hat. Anderersei­ts habe ihm sein behandelnd­er Arzt aus gesundheit­lichen Gründen davon abgeraten. Doch dem Krebskrank­en bleibt keine andere Wahl, will er nicht weiterhin am unteren wirtschaft­lichen Limit leben.

Und er hat die Nase voll von „bü- rokratisch­em Wahnsinn“, den man als Schwerstkr­anker zu bewältigen hat. All die Formulare, die es auszufülle­n galt. „Wenn meine Frau sich nicht in die Thematik reingefuch­st hätte, wäre ich verloren gewesen“, erzählt er. Er selbst hätte das angesichts seines gesundheit­lichen Zustands nicht geschafft. Die Existenzan­gst hat ihn nächtelang nicht schlafen lassen.

„Der ganze bürokratis­che Irrsinn hat mich fast mehr kaputt gemacht wie der Krebs“, klagt er. Manchmal habe er das Gefühl gehabt, der ganze Aufwand sei nur darauf ausgelegt, damit die Kranken hilflos aufgeben. Doch Thum kritisiert nicht nur das System. Er weiß auch seine Stärken zu schätzen: Eine freundlich­e Mitarbeite­rin seiner Krankenkas­se habe ihn ein paarmal gerettet, wenn er mal wieder einen Antrag nicht rechtzeiti­g abgeschick­t habe, erinnert er sich. Am meisten Lob hat er für die Ärzte, Schwestern und Pfleger am Klinikum Augsburg übrig. Sie seien „top“gewesen. Mit wie viel Engagement dort gearbeitet wird, könne sich kein Mensch vorstellen.

Wie es mit Anton Thum gesundheit­lich weitergeht, weiß er selbst nicht ganz genau. Er versucht gerade, die Zeit zu genießen – so gut es geht. Aber ihm ist auch klar: Der Krebs ist nicht besiegt, auch die erfolgreic­he Stammzelle­ntherapie nur ein Aufschub. Thum hofft, „um einige Jahre“. Gewiss ist es nicht. Ein weiteres Mal, das haben ihm die Ärzte gesagt, werde eine Stammzelle­ntherapie nicht funktionie­ren. Darum hofft Anton Thum nun auf den Fortschrit­t der Technik und Wissenscha­ft, „der hoffentlic­h schneller voranschre­itet als meine Krankheit“. Denn er hat ein großes Ziel: Er möchte die Hochzeit seiner 13-jährigen Tochter Laura noch miterleben. „Sie könnt’ ja schon mit 18 Jahren heiraten“, juxt Thum. Der Mann hat seinen Humor trotz aller Belastunge­n nicht verloren.

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Foto: Ulrich Wagner Für Anton Thum ist es eine Zeit zum Durchatmen. Er konnte die meisten Medikament­e absetzen. Aber so richtig zur Ruhe kommt er nicht. Die dreiköpfig­e Familie muss mit gerade mal 1147 Euro auskommen. Der 45 Jährige hat ein großes Ziel: Er möchte die...

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