„Die Bürokratie macht einen krank“
Schicksal Nach seiner zweiten Knochenmarktransplantation ist Anton Thum wieder auf dem Damm. Was den Krebskranken belastet, ist die Existenzangst und der Papierkrieg
Aichach Anton Thum ist ein Kämpfer. Einer wie er gibt nicht so leicht auf und lässt sich nicht hängen, auch wenn die Hoffnung nur vage ist. Der 45-Jährige ist an dem seltenen Blutkrebs Plasmozytom erkrankt, der bisher nicht heilbar ist. Zwei Knochenmarktransplantationen hat Thum hinter sich. Die zweite im Sommer dieses Jahres hat angeschlagen. Die Krebszellen in seinem Blut sind fast auf null. Aber der Aichacher hat längst einen zweiten Gegner: die Gesundheitsbürokratie.
Im Februar dieses Jahres hatte Thum Glück im Unglück. Wegen eines Lieferstopps stand das von ihm dringend benötigte Medikament Melphalan eigentlich nicht zur Verfügung. Die Stammzellentransplantation war auf unbestimmte Zeit verschoben. Für Thum wäre das möglicherweise einer Art Todesurteil gleichgekommen. Nach einer Reportage in unserer Zeitung über sein Dilemma konnte er in ein Notfallprogramm aufgenommen und gerettet werden. Dann der nächste Rückschlag. Die erste Stammzellentherapie schlug nicht an. Thum war verzweifelt, hielt aber durch. Beim zweiten Versuch verschwanden die Krebszellen im Blut fast ganz.
Eigentlich ist es für ihn jetzt eine Zeit zum Durchatmen. Der Oberbayer hat in den vergangenen Monaten 15 Kilogramm abgenommen, denn er konnte die meisten seiner Medikamente absetzen, die seinen Körper aufschwemmten.
Aber richtig zur Ruhe kommt er nicht. Denn die dreiköpfige Familie muss mit gerade mal 1147 Euro auskommen. Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Im März kommenden Jahres muss Thum trotz Krebs wieder als Baggerführer arbeiten. „Weil es finanziell so nicht weitergeht“, sagt er.
Eine kleine Mindererwerbsrente hält die Familie über Wasser – mehr staatliche Unterstützung bekommt er nicht. Um einen weiteren Zuschuss von 400 Euro zu erhalten, müsste er sein Haus verkaufen. „Das kann ich meiner Familie nicht antun“, sagt er. Thum muss also wieder arbeiten.
Einerseits freut er sich darauf, weil er seinen Beruf immer gerne ausgeführt hat. Andererseits habe ihm sein behandelnder Arzt aus gesundheitlichen Gründen davon abgeraten. Doch dem Krebskranken bleibt keine andere Wahl, will er nicht weiterhin am unteren wirtschaftlichen Limit leben.
Und er hat die Nase voll von „bü- rokratischem Wahnsinn“, den man als Schwerstkranker zu bewältigen hat. All die Formulare, die es auszufüllen galt. „Wenn meine Frau sich nicht in die Thematik reingefuchst hätte, wäre ich verloren gewesen“, erzählt er. Er selbst hätte das angesichts seines gesundheitlichen Zustands nicht geschafft. Die Existenzangst hat ihn nächtelang nicht schlafen lassen.
„Der ganze bürokratische Irrsinn hat mich fast mehr kaputt gemacht wie der Krebs“, klagt er. Manchmal habe er das Gefühl gehabt, der ganze Aufwand sei nur darauf ausgelegt, damit die Kranken hilflos aufgeben. Doch Thum kritisiert nicht nur das System. Er weiß auch seine Stärken zu schätzen: Eine freundliche Mitarbeiterin seiner Krankenkasse habe ihn ein paarmal gerettet, wenn er mal wieder einen Antrag nicht rechtzeitig abgeschickt habe, erinnert er sich. Am meisten Lob hat er für die Ärzte, Schwestern und Pfleger am Klinikum Augsburg übrig. Sie seien „top“gewesen. Mit wie viel Engagement dort gearbeitet wird, könne sich kein Mensch vorstellen.
Wie es mit Anton Thum gesundheitlich weitergeht, weiß er selbst nicht ganz genau. Er versucht gerade, die Zeit zu genießen – so gut es geht. Aber ihm ist auch klar: Der Krebs ist nicht besiegt, auch die erfolgreiche Stammzellentherapie nur ein Aufschub. Thum hofft, „um einige Jahre“. Gewiss ist es nicht. Ein weiteres Mal, das haben ihm die Ärzte gesagt, werde eine Stammzellentherapie nicht funktionieren. Darum hofft Anton Thum nun auf den Fortschritt der Technik und Wissenschaft, „der hoffentlich schneller voranschreitet als meine Krankheit“. Denn er hat ein großes Ziel: Er möchte die Hochzeit seiner 13-jährigen Tochter Laura noch miterleben. „Sie könnt’ ja schon mit 18 Jahren heiraten“, juxt Thum. Der Mann hat seinen Humor trotz aller Belastungen nicht verloren.