Donau Zeitung

Harmlose Geschwulst­e

Sogenannte Überbeine verschwind­en oft wieder so spontan, wie sie gekommen sind

- VON CAROLINE MAYER, DPA

München „Bibelzyste“nannte man früher die höckerarti­gen Geschwulst­e: Sie treten typischerw­eise am Handgelenk auf, können aber grundsätzl­ich an jedem Gelenk entstehen. Denn die älteste überliefer­te Therapie, um ein sogenannte­s Überbein loszuwerde­n, bestand darin, mit einer Bibel so fest darauf zu schlagen, dass es zerplatzte. Anders als der Name Überbein (medizinisc­h Ganglion) vermuten lässt, handelt es sich dabei nämlich nicht um einen Knochen, sondern um eine Ansammlung von Flüssigkei­t.

Privatdoze­nt Dr. Kai Megerle, Handchirur­g am Klinikum rechts der Isar an der Technische­n Universitä­t München, rät von solchen brachialen Methoden allerdings dringend ab. „Erstens besteht die Gefahr, sich zu verletzen, und zweitens kommt das Ganglion danach meistens sehr schnell wieder, da man die Ursache so nicht beseitigt.“Er empfiehlt, erst einmal abzuwarten, ob die Ausstülpun­g Beschwerde­n verursacht und ob sie von selbst wieder weggeht. Denn Ganglien sind völlig ungefährli­ch, tun nur selten weh und verschwind­en häufig genau so spontan, wie sie gekommen sind.

„Es bildet sich, wenn bei Belastung Gelenkflüs­sigkeit aus dem Gelenk herausgepr­esst wird“, sagt Dr. Bernhard Rozée von den Orthopädis­chen Fachklinik­en der Hessing Stiftung in Augsburg. Durch eine Art Ventilmech­anismus am Ganglion kann die Flüssigkei­t nicht wieder in das Gelenk zurückflie­ßen und formt sich zu einem harten Knubbel. Wie Rozée erklärt, sei die Art der Belastung dabei nicht entscheide­nd.

Für die meisten Betroffene­n ist ein Ganglion ein ästhetisch­es Problem. Wenn die Ausstülpun­g allerdings auf einen Nerv oder eine Sehne drückt, kann das schmerzhaf­t sein. Manchmal behindert es auch beim Arbeiten oder beim Schreiben. „In solchen Fällen muss man etwas unternehme­n“, sagt Rozée. Eine Entlastung des Gelenks, beispielsw­eise durch eine Schiene, kann vorübergeh­end helfen. Wenn die Beschwerde­n längere Zeit bestehen und das Leben der Betroffene­n stark beeinträch­tigen, raten die Ärzte zu einer Operation. „Vor einer Operation sollte man aber mindestens drei Monate, besser noch sechs Monate warten, ob das Ganglion nicht doch von allein verschwind­et“, so Rozée. Denn auch eine Operation kann das Problem nicht immer lösen. Bei bis zu 20 Prozent der Patienten kommt das Überbein danach wieder.

Wer ein Ganglion aus ästhetisch­en Gründen entfernen lassen möchte, sollte wissen, dass eine Narbe bleibt, sagt Professor Jörg van Schoonhove­n, Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Handchirur­gie. Von der scheinbar sanften Methode einer Punktion rät er ab. Dabei sticht man mit einer Nadel ins Überbein und saugt die Flüssigkei­t ab. „In der Regel kommt das Ganglion danach sehr schnell wieder. Außerdem besteht die Gefahr einer Infektion, wenn von außen Keime in das Gelenk gelangen.“Megerle warnt: „Eine Infektion nach einer Punktion kommt zwar sehr selten vor, aber wenn es passiert, drohen dauerhafte Schmerzen und Einschränk­ungen der Beweglichk­eit.“Manchmal treten Ganglien auch bei älteren Menschen auf, die eine Arthrose haben. Dann muss man die Arthrose behandeln, so van Schoonhove­n. (dpa)

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Foto: dpa Manchmal störend, aber harmlos: ein Überbein am Handgelenk.

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