Der Sänger der letzten Weihnacht
Trauer Er war eine der größten Stimmen in der Popmusik. Doch George Michael kannte auch die Schattenseiten des Geschäfts. Mit „Last Christmas“hat er sich schon lange ein Denkmal geschaffen
London So schnell kann ein Lied eine melancholisch-traurige Klangfarbe annehmen. „Last Christmas“der britischen Gruppe „Wham!“ist ein so viel geliebter wie in den vergangenen Jahren mit Hingabe gehasster Klassiker. Womit das von George Michael komponierte Lied dasselbe Schicksal ereilt wie „White Christmas“. Was nichts anderes heißt, als dass „Last Christmas“im Advent Radiosender wie Einkaufszentren beschallt, so wie fast alle Weihnachtslieder, mögen sie aus den USA oder aus den Alpen kommen.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag bekam das Lied, das der gebürtige Brite Michael zusammen mit seinem musikalischen Wham!-Partner Andrew Ridgeley eingespielt hatte, eine neue Bedeutung. Denn George Michael starb überraschend im Alter von 53 Jahren am 25. Dezember im britischen Goring-On-Thames in Oxfordshire. „Mit großer Trauer bestätigen wir, dass unser geliebter Sohn, Bruder und Freund George während der Weihnachtstage zu Hause friedlich entschlafen ist“, teilte sein Publizist mit. Ausgerechnet an Weihnachten. Wie makaber. An Herzversagen, wie es heißt.
Künftig wird das Lied stets eine neue Bedeutung haben: Der Song, der an George Michael erinnert. Das wird sich weiterhin keine Radiostation entgehen lassen.
Die Generation der in den Achtzigern Aufgewachsenen klickt noch heute gerne zur Weihnachtszeit das Video aus dem schweizerischen Saas Fee an, in dem Ridgeley eine Brünette anflirtet, die jedoch im nächsten Jahr ihr Herz weitergibt.
George Michael singt gegen Ende der Nummer strahlend wie ein junger Gott, mit seiner Stimme, die mühelos große Höhen erklimmt und sentimental rüberkommt, ohne kitschig zu sein. Das war schon bei dem ersten Superhit „Wake Me Up Before You Go-Go“so, der selbst in Tanzkursen – bei leicht reduzierter Geschwindigkeit – die Schüler zum Jive-Tanz animierte.
Dennoch: Ein Star des bürgerlichen Publikums konnte der Sohn einer Britin und eines griechisch-zypriotischen Vaters nicht werden. Denn selbst in jungen Jahren tat sich der gut aussehende junge Mann schwer, seine Homosexualität zu verstecken. Oft überschatteten Gesundheitsprobleme, massive Drogengeschichten und dadurch bedingte Autounfälle seine Karriere, die er solo mit Songs wie „Faith“und „Freedom!’90“krönte. Insgesamt verkaufte der Pop-Star mehr als hundert Millionen Alben. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.
Michaels Stimme aber stand in vielen auch weniger erfolgreichen Produktionen da wie eine Eins. Als sich in einer der frühen Ausgaben von „Deutschland sucht den Superstar“der Ober-Juror Dieter Bohlen einen Kandidaten anhören musste, der sich einen Michael-Song ausgesucht hatte, befand er: „George Michael ist einer der besten Sänger der Welt. Aber was lieferst Du ab?“
Angesichts großer Pop-Toter wie David Bowie oder Prince fand PopIkone Madonna drastische, aber richtige Worte zu Michaels Gedächtnis: „Lebewohl mein Freund. Ein anderer großer Künstler hat uns verlassen. Kann sich das Jahr 2016 jetzt verpissen?“