Gott mit allen Sinnen erfahren
Kloster In Maria Medingen wird die Geburt Christi nachgespielt. Warum dort zwei Christkinder aufeinandertreffen
Maria Medingen Mit dem Schnuller im Mund stapft Annalena zur Krippe. Vor einem Jahr war sie das Christkind, lag in dem kleinen, mit Fell gepolsterten Holzbett, wo jetzt die drei Monate alte Emma liegt. Zum zweiten Mal veranstalten die Dillinger Franziskanerinnen an diesem frühen Abend des ersten Weihnachtsfeiertags im Hof des Klosters Maria Medingen das Krippenspiel. Was vergangenes Jahr aus der Not geboren war, weil die Kirche aufgrund des Brandes geschlossen war und kein Gottesdienst stattfinden konnte, hat sich in diesem Jahr zur Tradition entwickelt.
Doch Annalena ist aus der Rolle des Jesuskindes herausgewachsen, und so übernimmt Emma. Ihre Eltern Julia und Dominik Schmid aus Zöschlingsweiler, die beide in ein Fell eingewickelt sind, stehen hinter ihr. Bei Emmas Taufe Mitte Oktober sei Pfarrer Alois Lehmer auf sie zugekommen und habe sie gefragt, ob sie mit Emma nicht am diesjährigen Krippenspiel teilnehmen möchten, erzählen sie. „Erst hatten wir etwas Bedenken, dass Emma unruhig ist und schreit“, sagt Julia Schmid. Sie stellt Maria, die Mutter Jesu, dar. Doch Schwester Hedwig, die den Kontakt mit dem Ehepaar aufgenommen hat, habe ihnen diese Angst schnell genommen – schließlich mache gerade diese Authenzität, das lebendige Krippenspiel aus.
„Damals waren alles Laiendarsteller, nichts war geprobt“, sagt Pfarrer Alois Lehmer. Mit damals meint Lehmer das Jahr 1223. Da erfand der Ordensvater des Klosters, Franziskus von Assisi, das Krippenspiel. Der italienische Ort Greccio lieferte die Vorlage für das heutige Krippenspiel in Maria Medingen. Auch was Franziskus dazu bewegte, versuchen die Schwestern und Brüder nachzuempfinden. So sagt Pfarrer Lehmer in seiner Rolle als Franziskus zu Giovanni, gespielt von Schwester Angela, den er in Greccio trifft: „Ich möchte die Menschen, Weihnachten erleben lassen, wie es damals war – mit allen Sinnen.“
In einer Grotte in den Bergen plante Franziskus das Krippenspiel. Ochsen, Esel, Hirten, Maria, Josef und natürlich das Christuskind, waren alle dabei, erzählen die Franziskanerinnen den zahlreichen Besuchern, die in diesem Jahr, genau wie damals bei Assisi, Christi Geburt nachempfinden wollen. Symbolisch für den Weg zum Berg, den die Menschen 1223 bestritten, folgen die Besucher den Schwestern durch den Hof. Doch die Kerzen müssen in diesem Jahr aus bleiben - der Wind bläst erbarmungslos durch den Klosterhof. Am Stall angekommen, wo der Esel und Maria und Josef bereits warten, wird das Christkind von Franziskus (Pfarrer Lehmer) und Kindern in Hirtenkleidung zur Krippe getragen. Es ist die kleine Emma, die von all dem Trubel um sie herum wohl nicht viel mitbekommt.
„Wie die Hirten wollen auch wir Zeugen sein und andere die Nähe Gottes spüren lassen. Wir wollen Boten des Friedens, der Liebe und der Freude sein“, sagt Pfarrer Lehmer. Diese Botschaft kommt auch bei den Gästen in Maria Medingen an. Wenn nicht gesungen wird, ist es still. Warum aber lockt ein Krippenspiel heutzutage so viele Menschen an? Lehmer erklärt das: „Die Menschen sind auf der Suche nach etwas, was eine andere Ebene in ihnen anspricht.“Gerade in der modernen Zeit sei es eine Ermutigung, Gott mit allen Sinnen zu erfahren – so wie bei diesem besonderen Krippenspiel. Mit dem Lied „Stille Nacht“wird es wieder dunkel um den Stall – bis zum nächsten Jahr.