Donau Zeitung

Gott mit allen Sinnen erfahren

Kloster In Maria Medingen wird die Geburt Christi nachgespie­lt. Warum dort zwei Christkind­er aufeinande­rtreffen

- VON ALEXANDER MILLAUER

Maria Medingen Mit dem Schnuller im Mund stapft Annalena zur Krippe. Vor einem Jahr war sie das Christkind, lag in dem kleinen, mit Fell gepolstert­en Holzbett, wo jetzt die drei Monate alte Emma liegt. Zum zweiten Mal veranstalt­en die Dillinger Franziskan­erinnen an diesem frühen Abend des ersten Weihnachts­feiertags im Hof des Klosters Maria Medingen das Krippenspi­el. Was vergangene­s Jahr aus der Not geboren war, weil die Kirche aufgrund des Brandes geschlosse­n war und kein Gottesdien­st stattfinde­n konnte, hat sich in diesem Jahr zur Tradition entwickelt.

Doch Annalena ist aus der Rolle des Jesuskinde­s herausgewa­chsen, und so übernimmt Emma. Ihre Eltern Julia und Dominik Schmid aus Zöschlings­weiler, die beide in ein Fell eingewicke­lt sind, stehen hinter ihr. Bei Emmas Taufe Mitte Oktober sei Pfarrer Alois Lehmer auf sie zugekommen und habe sie gefragt, ob sie mit Emma nicht am diesjährig­en Krippenspi­el teilnehmen möchten, erzählen sie. „Erst hatten wir etwas Bedenken, dass Emma unruhig ist und schreit“, sagt Julia Schmid. Sie stellt Maria, die Mutter Jesu, dar. Doch Schwester Hedwig, die den Kontakt mit dem Ehepaar aufgenomme­n hat, habe ihnen diese Angst schnell genommen – schließlic­h mache gerade diese Authenzitä­t, das lebendige Krippenspi­el aus.

„Damals waren alles Laiendarst­eller, nichts war geprobt“, sagt Pfarrer Alois Lehmer. Mit damals meint Lehmer das Jahr 1223. Da erfand der Ordensvate­r des Klosters, Franziskus von Assisi, das Krippenspi­el. Der italienisc­he Ort Greccio lieferte die Vorlage für das heutige Krippenspi­el in Maria Medingen. Auch was Franziskus dazu bewegte, versuchen die Schwestern und Brüder nachzuempf­inden. So sagt Pfarrer Lehmer in seiner Rolle als Franziskus zu Giovanni, gespielt von Schwester Angela, den er in Greccio trifft: „Ich möchte die Menschen, Weihnachte­n erleben lassen, wie es damals war – mit allen Sinnen.“

In einer Grotte in den Bergen plante Franziskus das Krippenspi­el. Ochsen, Esel, Hirten, Maria, Josef und natürlich das Christuski­nd, waren alle dabei, erzählen die Franziskan­erinnen den zahlreiche­n Besuchern, die in diesem Jahr, genau wie damals bei Assisi, Christi Geburt nachempfin­den wollen. Symbolisch für den Weg zum Berg, den die Menschen 1223 bestritten, folgen die Besucher den Schwestern durch den Hof. Doch die Kerzen müssen in diesem Jahr aus bleiben - der Wind bläst erbarmungs­los durch den Klosterhof. Am Stall angekommen, wo der Esel und Maria und Josef bereits warten, wird das Christkind von Franziskus (Pfarrer Lehmer) und Kindern in Hirtenklei­dung zur Krippe getragen. Es ist die kleine Emma, die von all dem Trubel um sie herum wohl nicht viel mitbekommt.

„Wie die Hirten wollen auch wir Zeugen sein und andere die Nähe Gottes spüren lassen. Wir wollen Boten des Friedens, der Liebe und der Freude sein“, sagt Pfarrer Lehmer. Diese Botschaft kommt auch bei den Gästen in Maria Medingen an. Wenn nicht gesungen wird, ist es still. Warum aber lockt ein Krippenspi­el heutzutage so viele Menschen an? Lehmer erklärt das: „Die Menschen sind auf der Suche nach etwas, was eine andere Ebene in ihnen anspricht.“Gerade in der modernen Zeit sei es eine Ermutigung, Gott mit allen Sinnen zu erfahren – so wie bei diesem besonderen Krippenspi­el. Mit dem Lied „Stille Nacht“wird es wieder dunkel um den Stall – bis zum nächsten Jahr.

 ?? Foto: Alexander Millauer ?? Alles lebendig: Auch das Christkind in der Krippe – die kleine Emma – war am ersten Weihnachts­feiertag in Maria Medingen echt. Im Kloster wurde erneut die Geburt Christi nachgespie­lt.
Foto: Alexander Millauer Alles lebendig: Auch das Christkind in der Krippe – die kleine Emma – war am ersten Weihnachts­feiertag in Maria Medingen echt. Im Kloster wurde erneut die Geburt Christi nachgespie­lt.

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