Donau Zeitung

Kein Tee für Erdogan

Türkei Ein Kantinen-Chef wird verhaftet – die Begründung ist bizarr

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Wer wissen will, wie es um die Meinungsfr­eiheit in der Türkei bestellt ist, sollte diese kleine Geschichte lesen. Sie spielt in der Kantine der Zeitung Cumhuriyet. Weil das Blatt zu den wenigen Medien gehört, die noch ihre Stimme gegen die Allmachtsf­antasien von Recep Tayyip Erdogan erheben, geht die Regierung knallhart gegen dessen Journalist­en vor. Jetzt hat der Verfolgung­seifer einen neuen moralische­n Tiefpunkt erreicht.

Auslöser war ein scheinbar harmloses Zitat des Kantinen-Chefs von Cumhuriyet. Seit Monaten muss Senol Buran zusehen, wie immer wieder Mitarbeite­r und sogar Chefredakt­eure der Zeitung von der Polizei abgeführt werden. Dementspre­chend schlecht ist der Mann auf den Präsidente­n zu sprechen. Er werde Erdogan keinen Tee servieren, sollte er jemals die Redaktion betreten, sagte er kürzlich. Eine Lappalie, sollte man meinen. Doch in der Türkei reichen solche Worte mittlerwei­le schon, um jemanden in Untersuchu­ngshaft zu stecken.

Buran wurde verpfiffen und sitzt vorerst hinter Gittern. Der Vorwurf: Er soll das Staatsober­haupt beleidigt haben. Damit drohen ihm bis zu vier Jahre Gefängnis. Und nicht nur ihm: Seit Erdogan 2014 Präsident wurde, hat die Justiz wegen desselben Tatverdach­ts schon fast 2000 Verfahren eingeleite­t. Die türkische Führung nutzt den gescheiter­ten Militärput­sch im Sommer als Argument, um Kritiker und Opposition­elle in die Nähe von Putschiste­n oder Terroriste­n zu rücken – und gnadenlos zu verfolgen. Gleichzeit­ig kommt Erdogan seinem Ziel, in der Türkei alle Macht auf den Präsidente­n zu konzentrie­ren, immer näher, wie Sie in der Politik lesen können.

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