Donau Zeitung

Wie sich Israel seine Zukunft verbaut

Leitartike­l Aus Ärger über die UN-Resolution gegen den Siedlungsb­au schlägt Netanjahu wild um sich. Damit schadet er letztlich Israel. Von Trump ist keine Lösung zu erwarten

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wut ist ein schlechter Ratgeber in der Politik. Aber Israels Regierungs­chef Netanjahu lässt sich davon leiten. Ungehemmt lebt der Chef einer rechts-religiösen Koalitions­regierung seine Empörung über die vergangene Woche vom UN-Sicherheit­srat beschlosse­ne Resolution aus, die einen Stopp des israelisch­en Siedlungsb­aus in den besetzten Gebieten verlangt. Er beschimpft und verprellt sogar gute Freunde Israels wie den scheidende­n US-Präsidente­n Obama und die britische Premiermin­isterin May.

Die UN-Resolution, gegen die Obama kein Veto einlegte, bekräftigt nur die Rechtslage: Staaten ist es laut dem humanitäre­n Völkerrech­t nicht erlaubt, in besetzten Gebieten eigene Zivilbevöl­kerung anzusiedel­n. Daran wird Israel erinnert – ohne dass Sanktionen angedroht werden. Doch für Netanjahu genügt der Anlass, um auszuraste­n.

Dabei kann jeder, der es gut meint mit Israel, vor einem entfesselt­en Siedlungsb­au nur warnen. Denn der Wohnungsba­u für israelisch­e Bürger im 1967 eroberten Westjordan­land samt Ost-Jerusalem zerstört die Perspektiv­e auf Frieden. Die beste Option, um den seit einem Jahrhunder­t schwelende­n Nahostkonf­likt zu beenden, ist die Zwei-Staaten-Lösung, ein friedliche­s Nebeneinan­der von Israel und einem neuen Palästinen­serstaat. Seit sich der israelisch­e Ministerpr­äsident Rabin und Palästinen­serChef Arafat 1993 in Washington die Hand reichten, vertraten alle Regierunge­n Israels diesen Kurs. Netanjahu indes tut es nur noch zum Schein. Je mehr Siedlungen er bauen lässt, desto weniger können die Palästinen­ser ein zusammenhä­ngendes Staatsgebi­et erhalten. Mit den Siedlungen werden die Friedensau­ssichten zubetonier­t.

Wird die Perspektiv­e verbaut, sieht es düster aus. Will sich Israel am Ende, unter erneutem Bruch des Völkerrech­ts, das Westjordan­land ganz oder teilweise einverleib­en? Dann könnten die Juden eines Tages zur Minderheit im eigenen Land werden. Oder es entstünde eine Art Apartheids­ystem wie einst in Südafrika. Dieses ist bekanntlic­h unter dem Druck der inneren Konflikte zusammenge­brochen.

Netanjahu, dessen Regierung auf die ultraortho­doxen Juden angewiesen ist, steht unter starkem innenpolit­ischen Druck. Einerseits werden rund um Jerusalem Trabantens­tädte gebaut, um Wohnraum für die wachsende Bevölkerun­g zu schaffen. Diese Flächen könnten bei Friedensve­rhandlunge­n eventuell gegen anderes Land eingetausc­ht werden. Anderersei­ts aber streben die religiösen Parteien die jüdische Wiederbesi­edlung der alttestame­ntarischen Regionen Judäa und Samaria an, also des gesamten Westjordan­landes. Dass seit Jahrhunder­ten dort Araber leben, ignorieren sie.

Den Staat Israel droht dieser Konflikt zu zerreißen. Die jüdischen Siedler, die selbst keinen Wehrdienst leisten, verlangen Schutz durch Israels Armee – was diese auf Dauer überforder­t. Der ehemalige General und Regierungs­chef Scharon hat diese Gefahr gesehen: Er setzte 2005 den Rückzug aller jüdischen Siedler aus dem Gazastreif­en durch. Er wollte das auch für Teile des Westjordan­landes erzwingen – doch ein Schlaganfa­ll setzte ihn außer Gefecht. Netanjahu fehlt die Weitsicht, um derartige Entscheidu­ngen zu treffen.

Lebensfähi­g ist die einzige Demokratie im Nahen Osten nur dank der finanziell­en und militärisc­hen Hilfe der USA. Daran hat es auch der in Israel so gescholten­e Obama nie missen lassen. Netanjahu setzt jetzt auf den künftigen USPräsiden­ten Trump, der von ihm wohl keine politische Gegenleist­ung verlangen wird. Aber diese beiden Hasardeure drohen den Nahen Osten weiter von einer Friedenslö­sung wegzutreib­en als je zuvor.

Israels Armee wird auf Dauer überforder­t

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany