Schreibübung eines Talents
Nathan Hill und sein Debüt „Geister“
Eine in die Jahre gekommene Hippie-Dame nimmt auf einer Wahlkampfveranstaltung des republikanischen Kandidaten eine Handvoll Kieselsteine und wirft sie ihm an den Kopf – um ein, wie sie sagt, Zeichen zu setzen gegen dessen „antielitären Populismus“. So beginnt der Roman „Geister“von Nathan Hill, der mit langen Lobesgirlanden der amerikanischen Kritiker nun auch auf Deutsch erschienen ist, gerade noch rechtzeitig als Begleitlektüre zum USWahlkampf.
Im Mittelpunkt dieses knapp 900 Seiten starken Erstlings steht aber nicht der attackierte Trump-Klon, sondern Samuel Anderson, ein junger, spielesüchtiger Englisch-Professor. Die Hippie-Attentäterin ist seine Mutter, die die Familie vor mehr als zwanzig Jahren verlassen hat und spurlos verschwunden schien. Nun soll der Sohn vor Gericht für sie bürgen. Das ist der wichtigste Erzählstrang des Romans, in dem Hill ein Sittengemälde Amerikas mit all seinen Widersprüchlichkeiten entwirft und en passant die Geschichte seit den 68ern erzählt. In Amerika wurde sein Erstling von den Kritikern mit Werken von Donna Tart oder David Foster Wallace verglichen. Das aber ist vielleicht auch das Problem. Hill jongliert lässig mit seinem Figurenensemble, springt gekonnt zwischen den Zeitebenen, erzählt viel, den unverwechselbaren eigenen Ton jedoch findet er nicht. So liest sich dieses Epos wie die gelungene Schreibübung eines Talents auf knapp 900 Seiten. (stw)
Piper, 864 S., 25 ¤