Donau Zeitung

Nach Weihnachte­n ist vor Weihnachte­n

Serie Weil sie orthodoxe Christen sind, wurden Emebet und Eshetu Mamoe nicht nur in ihrem Heimatland Eritrea verfolgt. Auch in Libyen landeten sie wie viele andere im Gefängnis. Anfang Januar feiern sie noch mal Weihnachte­n

- VON LARISSA TORRES DE MEDEIROS

Dillingen Am 7. Januar feiert die eritreisch-orthodoxe Familie Mamoe in Dillingen ein zweites Mal die Geburt Jesu, so, wie es die Tradition der orthodoxen Christen vorgibt. „Am Heiligen Abend haben wir mit unseren deutschen Paten gefeiert. Am 7. Januar gibt es für alle unser orthodoxes Weihnachts­fest“, erklärt der 27-jährige gebürtige Eritreer Eshetu Mamoe. Die Familie richtet sich nach dem Kalender der orthodoxen Kirchen, die ihre Feste nach dem julianisch­en Kalender begehen. Demnach fällt Weihnachte­n auf den 7. Januar.

Der junge Eritreer kam mit seiner 24-jährigen Frau Emebet im Mai 2014 in Deutschlan­d an. Die beiden sind vor einem Leben im Gefängnis in Libyen geflohen, dem letzten Land auf ihrer beschwerli­chen und lange geplanten Flucht nach Europa. Um das nötige Geld für die Flucht zusammenzu­bringen, arbeiteten sie mehrere Jahre lang im Sudan. Auf der Flucht nach Libyen mussten sie die gefährlich­e Sahara durchquere­n. Für viele Flüchtling­e lauert in der Wüste der Tod. Sie wird fast genauso vielen Menschen zum Verhängnis wie das Mittelmeer. Der jungen Flüchtling­sfamilie, die jetzt in Dillingen lebt, blieb das Schicksal zum Glück erspart.

Doch in Libyen, einem radikal muslimisch­en Land, wurden sie während ihrer Flucht verhaftet, „unseres Glaubens wegen. Die Gefängniss­e dort sind voll mit Christen“, erinnert sich der junge Mann mit Schrecken zurück. Viele Insassen verdingen sich dort als Tagelöhner, wenn es denn Arbeit gibt. Danach würden sie aber wieder ins Ge- zurückgesc­hickt, berichtet Eshetu von grausamer Ausbeutung. Auch er und seine Frau konnten hin und wieder außerhalb des Gefängniss­es arbeiten. Bei einer dieser Freigänge floh das junge Paar. Ein Helfer organisier­te die Flucht über das Mittelmeer nach Deutschlan­d.

In Dillingen kann die kleine Familie endlich wieder ihren Glauben praktizier­en und eines der wichtigste­n Feste auch der orthodoxen Kirche feiern: Weihnachte­n. „Wir bereiten uns sehr intensiv auf dieses Fest vor“, erzählen beide. Es wird neue Kleidung getragen und das Haus gründlich geputzt. Mitunter werden die Wände der Wohnung neu gestrichen. Und natürlich gibt es Geschenke. Mit dem Weihnachte­n in ihrer afrikanisc­hen Heimat kann das deutsche Fest allerdings kaum verglichen werden. Sowohl die Vorweihnac­htszeit als auch Weihnachte­n selbst sind um einiges nüchterner. Weihnachts­dekoration, Adventskra­nz, Adventskal­ender und Christbaum: Fehlanzeig­e. „Wir zünden lediglich Kerzen zu Hause an. Am 6. Januar fasten wir traditions­gemäß, am Abend besuchen wir den Gottesdien­st“, erzählt Emebet von den Bräuchen ihres Landes. So, wie der Kirchgang am 7. Januar ein Muss ist. Die Messe wird an Weihnachte­n besonders ausführlic­h zelefängni­s briert. Anschließe­nd gibt es „Himbasha“, das traditione­lle Brot mit Hähnchen, Lamm oder Rind, sowie viele andere Spezialitä­ten, alles sehr scharf gewürzt.

In Eritrea wird generell in einer großen Gemeinscha­ft gegessen. Dort sind grundsätzl­ich Nachbarn, Freunde und auch die Pfarrer mit dabei. Deshalb müssen an solchen Festtagen wie Weihnachte­n immer große Mengen zubereitet werden. „Das finde ich ein bisschen schade, dass hier jeder für sich alleine feiert“, vermisst Emebet die Gesellscha­ft. In der orthodoxen Kirche in München beispielsw­eise wird im Anschluss an den Gottesdien­st gesogar meinsam gespeist. Eine Besonderhe­it des eritreisch­en Weihnachts­festes ist, dass ärmeren Leuten etwas vom Fleisch und den Weihnachts­spezialitä­ten abgegeben wird. „Dadurch erhoffen wir uns Segen von Gott“, erklärt Eshetu.

Dass in Deutschlan­d alles ein bisschen anders als in Eritrea ist, erfuhren sie, als die kleine Bezawit von der Kinderkrip­pe mit einer Socke voller Süßigkeite­n heimkam, „Den Brauch des Nikolausta­ges erklärte uns unsere Tochter“, lacht Mutter Emebet. Langsam verstehen die Eritreer auch, dass in Deutschlan­d Weihnachte­n nicht vier Wochen lang gefeiert wird, auch wenn es manchmal den Anschein hat. „Vier Wochen lang Glitzerket­ten, Lichter und Weihnachts­bäume überall – das gibt es bei uns nicht.“Trotzdem sind sie angetan von den deutschen Gebräuchen. Die vielen Lichter in den Straßen und Häusern sowie die Weihnachts­märkte üben auch für die Eritreer einen besonderen Reiz aus.

Eshetu musste allerdings auf den Besuch des Dillinger Christkind­elmarktes verzichten. Er verbrachte die Zeit in einer Berufsschu­le in München. Während der Blockbesch­ulungen ist der 27-Jährige in einem Wohnheim untergebra­cht. Obwohl ihm die Trennung von Frau und Tochter schwerfäll­t, ist er sehr stolz auf seinen Ausbildung­splatz bei einem Dillinger Optiker.

Jetzt freut sich die Familie auf das zweite Weihnachts­fest. Dabei will sie vor allem Gott danken, dass sie nun in Frieden und Freiheit leben darf. Die Eritreer werden viele Landsleute besuchen und das Fest mit üppigem Essen und ausgelasse­nen Tänzen feiern. Und die kleine Bezawit wird mit zwei Bräuchen aufwachsen und zwei Kulturen kennenlern­en. (mit bäs) Beim Übersetzen half Katharina Hillenbran­d vom Asylhelfer­kreis Buttenwies­en

Auf der Flucht

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Foto: Larissa Torres de Medeiros Eshetu Mamoe aus Eritrea mit Frau Emebet und Töchterche­n Bezawit.

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