Wer Bahn fährt, soll sich vorher registrieren
Belgien Ein neues Gesetz gibt der Regierung freie Hand. Aber ist das überhaupt praktikabel?
Brüssel Noch erscheint dieses Bild des Bahnfahrens von morgen kaum vorstellbar: Es gibt kein schnelles Lösen eines Tickets mehr am Fahrkartenschalter im Bahnhof, um von Dortmund, Köln oder Aachen nach Brüssel oder Paris zu fahren. Doch der belgische Innenminister Jan Jambon bereitet strikte Kontrollen vor, die genau zu solchen Auswirkungen führen würden: Es gehe um mögliche Anschläge in der Zukunft, die verhindert werden können, sagte der 56-jährige Politiker der rechtskonservativen Neuen Flämischen Allianz (N-VA) nach dem Attentat in Berlin.
Unmittelbar vor der Jahreswende beschloss das belgische Parlament in Brüssel die Gesetzesnovelle, die der Minister allerdings lange vorbereitet hatte: Jambon will die bisher nur für Fluggäste geplante Erfassung aller persönlichen Daten auch auf Züge, Schiffe und Reisebusse ausweiten. In den kommenden Wochen sollen Gespräche mit Reise-Unternehmen wie der belgischen Bahn stattfinden. Beim nächsten Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen kommt das Thema als Vorschlag für alle EU-Staaten auf den Tisch.
Die persönlichen Informationen der Reisenden würden „mit einer Datenbank international gesuchter Terroristen verglichen“, sagte Jambon. Jemand, der für gewalttätigen Extremismus bekannt ist oder unter Verdacht steht, könne dann aus dem Transportmittel geholt werden. Grund für Jambons erneuten Vorstoß ist der Anschlag in Berlin. Anis Amri, der als Haupttäter gilt, entkam über die Niederlande und möglicherweise auch über Belgien und Frankreich nach Italien, wo er in Mailand erschossen wurde. Belgien, so der Plan Jambons, wolle verhindern, dass gesuchte Täter oder mutmaßliche Terroristen unkontrolliert durch ganz Europa reisen können.
Doch die im April von der EU verabschiedete Fluggast-Datenspeicherung betrifft ausdrücklich nur den Luftverkehr, wie ein Kommissionssprecher unserer Zeitung gestern bestätigte. Es stehe den Mitgliedstaaten zwar frei, das Prinzip auf andere Transportmittel zu übertragen – allerdings nur, wenn es im Einklang mit EU-Recht stehe. Abseits der offiziellen Stellungnahme wird die Behörde deutlicher. Man befürchte starke Verzögerungen im Personenverkehr, würden an Bahnhöfen Sicherheitskontrollen wie an Flughäfen eingeführt. Auch könnten die Warteschlangen ein neues Anschlagsziel darstellen.
Doch die belgische Regierung will im Lauf des neuen Jahres Gepäckscanner und zusätzliche Kameras für 13,5 Millionen Euro an den größten Bahnhöfen in Brüssel, Antwerpen und Lüttich installieren. Dort halten die großen internationalen Züge. Der inländische Verkehr soll außen vor bleiben.
Die Deutsche Bahn lehnt den Vorschlag rundweg ab und drohte bereits mit der Einstellung der gerade erst ausgeweiteten Verbindungen von Frankfurt über Köln und Aachen nach Brüssel. Damit nicht genug: Sollten sich die Behörden in Deutschland generell weigern, die belgische Regelung zu übernehmen, müssten wohl auch die Thalys-Direktverbindungen von Dortmund über Köln, Lüttich und Brüssel nach Paris gestoppt werden.
In den anderen Hauptstädten der Union hält sich die Begeisterung über den belgischen Vorstoß in Grenzen. Von den Niederlanden und Frankreich heißt es, man unterstütze die Initiative nicht. Auch von der Bundesregierung ist ein klares Nein zu erwarten. Doch Entscheidungen sind bisher nicht gefallen.