Reden im Gehen
Viele Experten befürchten, dass der Mensch mit Facebook und Twitter seine Sprache endgültig verhunzt. Das gepostete Gestammel erinnere an primitive „Hallo!“-Rufe im Neandertal.
Glücklicherweise spendet das demoskopische Institut Allensbach Trost und Zuversicht. Umfragen bestätigen, dass sich der Mensch mit Zeitgenossen bereits zu 80 Prozent über die Körpersprache verständigt. Die Kunst des gesprochenen Dialogs verkümmert, stattdessen plaudern wir mit den Mitteln der Gestik und der Mimik.
Allerdings will die Entzifferung körperlicher Signale mühsam erlernt sein. Ob der Chef die Bitte um Gehaltserhöhung nur deshalb abgeschlagen hat, weil der Antragsteller jedem Blickkontakt ausgewichen ist, kann nur ein fachkundiger Körpersprachler beurteilen. Und erst ausgiebige Spezialforschung ermöglicht die richtige Antwort auf die Frage, ob die junge Frau im Straßencafé die Lippen spitzt, weil sie Appetit auf das bestellte Speiseeis oder auf den vorbeiflanierenden Spaziergänger verspürt.
Anfänger im Fach Körpersprache werden schleunigst Fern- und Nahlehrgänge belegen müssen, um sicher zu sein, dass jedes Augenzwinkern und jedes Fingerschnipsen richtig verstanden wird. Vor allem müssen wir darauf achten, dass unser Körper beim bloßen Gehen nicht zu viel redet. Denn schon der Schriftsteller Heinrich Laube hinterließ vor 180 Jahren in seiner Schrift „Das junge Europa“die Warnung: „Die freieste Sprache des Körpers ist der Gang.“