„Es soll ein Haus von Weltrang werden“
Interview Gestern Abend wurde in München die Idee des neuen Naturkundemuseums bei einem großen Festakt vorgestellt. Vogelforscherin Prinzessin Auguste von Bayern erklärt, warum das Projekt so wichtig ist
Beim neuen bayerischen Naturkundemuseum in München soll es sich um eine einzigartige Neukonzeption handeln. Wie darf man sich die vorstellen? Auguste von Bayern: Das Konzept ist komplett neu, und es orientiert sich nicht an den klassischen Strukturen eines Naturkundemuseums.
Wo alles nach Tiergruppen und Pflanzengruppen im Stil des 19. Jahrhunderts sortiert ist. Von Bayern: Genau. Im neuen Museum aber dreht es sich um das Leben, und es wird alles an Verhaltensweisen und Lebensprozessen aufgehängt, die Mensch und Tier teilen. Zum Beispiel die „Fortbewegung“, „Nahrungsaufnahme“, „Kooperation“oder „Schlaf“. Anhand von Verhaltensweisen können wir verschiedenste biologische Inhalte erklären und können das Ineinander und Zusammenwirken von Mensch und Natur aufzeigen. Und das an konkreten Beispielen. Kern des Museums wird eine Dauerausstellung zu den verschiedensten spannenden Verhaltensweisen sein.
Wie werden die Inhalte erfahrbar gemacht, sodass es auch für Laien spannend wird? Von Bayern: Die Besucher werden direkt berührt. Die Biologie betrifft uns doch in jedem Moment unseres Alltags. Es wird also ein Museum des Lebens, wenn Sie so wollen. Die Besucher werden spüren, dass die Dinge, die uns selbst betreffen, auch andere Lebewesen berühren. Das wird faszinierend. Es sollen dabei auch immer wieder direkt die Auswirkungen unseres Handelns auf Ökosysteme und unseren gesamten Planeten deutlich gemacht werden.
Können Sie ein Beispiel nennen? Von Bayern: Ja. Wie gesagt, zum Beispiel „Fortbewegung“. Wir bewegen uns mit Autos fort, und dann geht es ganz schnell über in die Kohlendioxid-Problematik und das Straßennetz und seine Folgen für die Natur. Das ist aber nur eines von ungezählten Beispielen. Und es gilt nicht nur im negativen Sinn, sondern vielmehr wird dargestellt: Was können wir tun, damit wir die entstandenen Probleme wieder in den Griff kriegen. Das Museum soll die Besucher informieren, immer wieder einen Perspektivwechsel bieten, aber auch zum Handeln anregen. Jeder Bürger kann nämlich etwas tun, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
Es soll ein Museum werden, das nicht nur für München wichtig sein wird. Von Bayern: In der Tat ist es für ganz Bayern wichtig, für Deutschland,
sogar für die ganze Welt. Es soll auch eine neuartige Plattform für die so exzellente bayerische und die internationale Naturwissenschaft werden. Für die Diskussion von wichtigen Fragen, die uns alle selbst sowie die Zukunft des gesamten Planeten Erde betreffen. Für Bayern ist es besonders wichtig, weil wir ja wissenschaftlich hervorragend aufgestellt sind. Gleichzeitig aber haben wir zu wenig Nachwuchs in den Naturwissenschaften. Das ist
ein ganz seltsames Phänomen. Ich bin aber zuversichtlich, dass das zukünftige Museum genau die fehlende Brücke zwischen den Schulen und den Universitäten bilden wird.
Warum gibt es denn kaum Nachwuchs? Von Bayern: Ich habe ja einen großen Teil meiner wissenschaftlichen Karriere in England verbracht. Dort werden die Wissenschaften in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen. Die Leute sind stolz davielleicht
rauf, was ihre Forscher gerade herausgefunden haben und verfolgen begeistert die neuesten Ergebnisse. Bei uns setzt man sich zu wenig damit auseinander und versteht nicht, wie reizvoll und spannend Forschung eigentlich ist. Die jungen Leute denken scheinbar, das alles sei hoch kompliziert und nichts für sie. Ich persönlich kann mir keine spannendere Karriere vorstellen.
Mit Gründungsdirektor Michael John Gorman aus Dublin hat Bayern einen sehr renommierten Mann gefunden. Von Bayern: Es ist ein Wunder, dass wir ihn gekriegt haben. Es war ganz lustig. Ich war kürzlich in New York und habe dort das National History Museum besucht. Der Direktor dort hat sich brennend dafür interessiert, wie wir es geschafft haben, Gorman nach München zu kriegen. Er ist in seinem Bereich Weltklasse.
Und wie hat man es geschafft? Von Bayern: Ich glaube, ihn hat das Gesamtpaket in München überzeugt. Hier kann man Einzigartiges schaffen. Das Projekt hat bisher alle begeistert, weil es für alle gut ist. Wir haben ein Bildungsdefizit im Themenbereich der Biologie. Darum ist es so wichtig, dass wir uns in dieser Hinsicht weiterbilden, denn die Biowissenschaften sind Fächer, die uns alle persönlich betreffen.
Für Projekt stehen 87 Millionen Euro bereit, darunter 14 Millionen für die Ausstattung. Was wird da alles zu sehen sein? Von Bayern: Die 87 Millionen werden für den Neubau benötigt. In den 14 Millionen ist die gesamte Ausstellung sowie deren Planung enthalten – von Vitrinen bis Bildschirmen. Deswegen ist das auch gar nicht so viel, vor allem nicht im internationalen Vergleich. Und wir als Förderkreis müssen auch dafür sorgen, dass noch mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, da wir die Ambition verfolgen, ein weltweit führendes Museum zu schaffen. Dass es Ziel ist, ein international führendes Museum anzustreben, sagt übrigens auch Bayerns Ministerpräsident.
Sie selbst haben als Vorsitzende des Förderkreises Naturkundemuseum dazu beigetragen, dass aus der Vision Wirklichkeit wird. Denn Sie haben eine Million Euro gesammelt und das Projekt auch durch die Instanzen angeschoben. Zufrieden? Von Bayern: Das war immer Teamwork. Aber es war nicht so schwer, weil alle von dem Projekt über Parteiengrenzen hinweg begeistert sind. Doch es stimmt, wir haben in sehr kurzer Zeit über eine Million gesammelt, um den Architektenwettbewerb und weitere Planungsarbeiten zu finanzieren. Das war wichtig, weil es eine Bestätigung des öffentlichen Interesses war, sodass der Staat einstieg. Und ja, ich bin zufrieden, dass wir auf der richtigen Spur sind, ein international heraussragendes Life Sciences Museum zu schaffen. Das Projekt hat großes Potenzial, um junge Leute für Natur und Wissenschaft zu begeistern.
Interview: Josef Karg