Dillingens Chefärztin bei Gauck
Bellevue Insgesamt 70 Bürger aus ganz Deutschland hatte der Bundespräsident geladen. Dr. Bechtel wurde eine besondere Ehre zuteil
Berlin/Dillingen Als ihr Name aufgerufen wird, lächelt Dr. Ulrike Bechtel freundlich. Die 53-Jährige geht auf Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt zu, schüttelt beiden lange die Hand, dreht sich dann für ein Erinnerungsfoto zu den wartenden Fotografen um: für ein Erinnerungsfoto an den Neujahrsempfang des Bundespräsidenten in dessen Amtssitz in Berlin. Dort, in Schloss Bellevue, wurde die Chefärztin der Dillinger Kreisklinik St. Elisabeth am Dienstag als eine von insgesamt 70 Bürgerinnen und Bürger für ihr Engagement geehrt.
Der Grund, warum Bechtel geehrt wird, ist das Ausbildungskonzept Allgemeinmedizin Dillingen, das sie entwickelt hat. Ein „Leuchtturmprojekt für ganz Deutschland“ wird es in Berlin genannt. Das Ausbildungskonzept sieht vor, dass Medizinstudenten in ihrem praktischen Jahr acht Monate im Dillinger Krankenhaus arbeiten und anschließend vier Monate in einer Arztpraxis des Landkreises. Dafür gibt es Kost und Logis umsonst, außerdem einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 400 Euro. Rund 20 angehende Ärzte haben das Angebot bereits angenommen. Das Projekt soll Hausärzte für den ländlichen Raum gewinnen, für Gegenden, in denen ihre Zahl immer weiter abnimmt. Es ist ein Thema, das Bechtel erkennbar am Herzen liegt.
„Ich freue mich, dass der Ärztemangel wirklich gesehen wird“, sagt die Medizinerin, als sie nach der Ehrung lächelnd im Schinkelsaal des Schlosses steht. „Dass sich der Bundespräsident Gedanken über das Thema macht.“In Bayern schließt jede Woche eine Arztpraxis, erklärt sie. In vielen Regionen fehle es an Hausärzten. Das Dillinger Modell soll ein Gegenmodell sein, soll begeistern für das Arbeiten im ländlichen Raum. „Die Ausbildung bei uns ist sehr praxisnah“, betont Bechtel. Ein Student sei von Beginn an mit den Problemen der Patienten betraut – „und zwar ganz ungefiltert“. Insgesamt gebe es zu wenige Studienplätze für Medizin, sagt Bechtel: „Wir müssen das System aufbohren, und zwar ganz dringend und ganz schnell.“Schließlich dauere es elf Jahre, bis aus einem Studienanfänger ein fertiger Hausarzt werde.
Die Chance, ihr Anliegen vorzubringen, hatte Bechtel in Berlin: Sie wurde nach der Ehrung gebeten, beim Mittagessen doch am selben Tisch wie Bundespräsident Gauck Platz zu nehmen.