Donau Zeitung

Zeit für eine Entschuldi­gung

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Juristen heben oft auf die allgemeine Lebenserfa­hrung ab. Wendet man das Prinzip auf den SkandalFal­l „Volkswagen“an, wird schnell klar: Es müsste schon mit dem Teufel zugegangen sein, wenn Ex-Vorstandsc­hef Winterkorn nicht frühzeitig von dem Abgas-Betrug gewusst hätte. Dafür hat sich „WiKo“, wie er in einer Mischung aus Respekt und Angst bei VW genannt wurde, zu sehr mit Details der Fahrzeuge ausgekannt.

Natürlich gilt für Winterkorn die Unschuldsv­ermutung, aber die allgemeine Lebenserfa­hrung sagt einem doch, dass seine Argumentat­ion nicht allzu stichhalti­g wirkt.

Dafür kommen immer mehr Details der „WiKo“-Herrschaft zum Vorschein. Erzählunge­n von Mitarbeite­rn werfen kein gutes Licht auf den Chef. Sie zeigen einen Mann, der seine Macht auch auf ein Regime von Angst und Schrecken zu bauen wusste. Stimmen die Berichte, wurden Fehlteile auf einen Schadensti­sch gelegt und vom Chef inspiziert. Danach habe er die Verantwort­lichen vor versammelt­er Mannschaft „rund gemacht“.

Derart autoritäre Methoden können ein Unternehme­n an den Abgrund führen, lehrt die allgemeine Lebenserfa­hrung. So hat das Magazin Spiegel das Betriebskl­ima unter „WiKo“als „Nordkorea minus Arbeitslag­er“umschriebe­n.

Auf alle Fälle kommt die Ära des gescheiter­ten Patriarche­n VW teuer zu stehen. Immer neue Milliarden­zahlungen gehen an die Substanz. Dabei bräuchte Volkswagen enorme Gelder, um die Elektroaut­o-Revolution zu meistern. Dass hier dringend benötigte Milliarden fehlen, ist auch Winterkorn zu verdanken. Es wäre Zeit für eine Entschuldi­gung. Doch auch das lehrt die allgemeine Lebenserfa­hrung: Manager wie „WiKo“haben keinerlei Affinität zu Bußgängen. Dabei kann eine Beichte – wie Katholiken wissen – sehr befreiend sein.

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