Zeit für eine Entschuldigung
Juristen heben oft auf die allgemeine Lebenserfahrung ab. Wendet man das Prinzip auf den SkandalFall „Volkswagen“an, wird schnell klar: Es müsste schon mit dem Teufel zugegangen sein, wenn Ex-Vorstandschef Winterkorn nicht frühzeitig von dem Abgas-Betrug gewusst hätte. Dafür hat sich „WiKo“, wie er in einer Mischung aus Respekt und Angst bei VW genannt wurde, zu sehr mit Details der Fahrzeuge ausgekannt.
Natürlich gilt für Winterkorn die Unschuldsvermutung, aber die allgemeine Lebenserfahrung sagt einem doch, dass seine Argumentation nicht allzu stichhaltig wirkt.
Dafür kommen immer mehr Details der „WiKo“-Herrschaft zum Vorschein. Erzählungen von Mitarbeitern werfen kein gutes Licht auf den Chef. Sie zeigen einen Mann, der seine Macht auch auf ein Regime von Angst und Schrecken zu bauen wusste. Stimmen die Berichte, wurden Fehlteile auf einen Schadenstisch gelegt und vom Chef inspiziert. Danach habe er die Verantwortlichen vor versammelter Mannschaft „rund gemacht“.
Derart autoritäre Methoden können ein Unternehmen an den Abgrund führen, lehrt die allgemeine Lebenserfahrung. So hat das Magazin Spiegel das Betriebsklima unter „WiKo“als „Nordkorea minus Arbeitslager“umschrieben.
Auf alle Fälle kommt die Ära des gescheiterten Patriarchen VW teuer zu stehen. Immer neue Milliardenzahlungen gehen an die Substanz. Dabei bräuchte Volkswagen enorme Gelder, um die Elektroauto-Revolution zu meistern. Dass hier dringend benötigte Milliarden fehlen, ist auch Winterkorn zu verdanken. Es wäre Zeit für eine Entschuldigung. Doch auch das lehrt die allgemeine Lebenserfahrung: Manager wie „WiKo“haben keinerlei Affinität zu Bußgängen. Dabei kann eine Beichte – wie Katholiken wissen – sehr befreiend sein.