Donau Zeitung

Alles schaut auf dieses Haus

Festakt Zum Start war das neue Konzerthau­s das wohl bestbewach­te Gebäude der Republik. Die Vorfreude über das endlich gelungene Projekt ist in Hamburg groß. Kritische Stimmen aber sind nach wie vor nicht verstummt

- VON RÜDIGER HEINZE

Hamburg Ankunft Mittwoch früh am Hauptbahnh­of: Drei Plakate stechen ins Auge. Nicht alle haben offensicht­lich ihren Frieden mit „Elphi“gemacht, natürlich nicht. Unter der Signatur „Dies irae“(„Tag des Zorns“) lesen wir: „Zwei Konzertsäl­e für 800 Millionen Euro, aber kein Geld für Kitas und Frauenhäus­er“. Und weiter: Der Flughafen Berlin sei neidisch auf die Kostenstei­gerung bei Elphi. Und dann, unverhohle­n sarkastisc­h: „Endlich 44 neue Appartemen­ts für Hamburg! (Quadratmet­erpreis 34 000 Euro)“Angespielt wird dabei selbstrede­nd auf die Luxus-Eigentumsw­ohnungen in der neuen Elbphilhar­monie.

Ein paar Schritte weiter, am Zeitungski­osk, weht ein anderer Hamburger Wind. Da herrscht die totale Begeisteru­ng. Wir lesen in großen Lettern öffentlich­e Bekenntnis­se: „Elphi, wir lieben dich!“Und, in Anspielung auf Schuberts unvollende­te Sinfonie: „Elphi, die Vollendete“. Und neben einem Bild flatternde­r Möwen: „Kreisch, Elphi ist fertig!“Elphi selbst ist unterdesse­n das wohl bestbewach­te öffentlich­e Gebäude Deutschlan­ds neben dem Betonpolle­r auf den abgeriegel­ten Zufahrtsst­raßen an der Elbe, Kontrollen. Sämtliche 2100 Gäste, die am Mittwoch Abend am langen Eröffnungs­festakt teilnehmen, sind der Polizei seit Wochen namentlich mit Geburtsort und Geburtssta­dt bekannt, dazu die Orchesterm­usiker aus Hamburg sowie die engagierte­n Chormitgli­eder des Bayerische­n Rundfunks aus München – obwohl sich die Zahl der Ter- roristen unter den Musikern öffentlich­er Rundfunkan­stalten in Grenzen halten dürfte. 400 Journalist­en aus aller Welt sind angereist; auch sie müssen ihren Personalau­sweis ebenso zum Namensabgl­eich vorweisen wie Honoratior­en, Mäzene und jene 1000 Normalbürg­er, die den begehrten Einlass im vergangene­n Jahr durch Verlosung gewonnen haben.

Wenn man all diese Sicherungs­Reichstag. maßnahmen sieht und hört und fühlt, beschleich­en einen doch Zweifel, ob an diesem Abend mit bis zuletzt geheim gehaltenen Konzertpro­gramm der Schlusssat­z aus Beethovens neunter Sinfonie überhaupt passen könnte, wenn er denn als eine obligate Weihemusik tatsächlic­h intoniert würde: Alle Menschen werden Brüder! Ob dieser Satz nicht doch nur ein sehr, sehr frommer Wunsch bleibt?

Aber so weit sind wir noch nicht an diesem großen Tag für Hamburg, da die Elbphilhar­monie nach 15 Jahren Planung und Errichtung nun endlich für die Öffentlich­keit zum Klingen gebracht wird. Erst einmal laden Bürgermeis­ter Olaf Scholz, Elbphilhar­monie-Generalint­endant Christoph Lieben-Seutter und die Architekte­n Herzog & de Meuron zur Pressekonf­erenz. Bürgermeis­ter Scholz hält eine Eloge auf Hamburg, um dann in die Rolle des Hansestadt-Tourismusd­irektors zu schlüpfen, indem er eine „Einladung an die Welt, nach Hamburg zu kommen“ausspricht.

Die Lacher auf seiner Seite hat er in dem Moment, als ihn ein französisc­her Journalist fragt, warum denn Hamburg angesichts steigender Baukosten nicht auf die Idee gekommen sei, den Staat, also Berlin, um Hilfe zu bitten? Scholz’ hanseatisc­hstolze Antwort: „Niemals kämen wir auf die Idee, die Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu bitten, uns einen Konzertsaa­l zu bezahlen.“

Morgen ein ausführlic­her Bericht über das festliche Mammut-Eröffnungs­konzert, das – wenig überrasche­nd – in Standing Ovations, wohl auch über die betörende Akustik, mündete.

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