Sensibel, aber cool
The xx mit neuem Selbstbewusstsein
Was ist denn da passiert? Ein paar Dub-Bläser, dann rattert „Dangerous“genau so los, wie es heißt: gefährlich. Eine vorwärtsdrängende Bassline, ein scheppernder HouseBeat. Und Oliver Sim und Romy Madley Croft singen abgebrüht: „I Couldn’t Care Less, if You Call Us Reckless.“Würden nicht die beiden Stimmen Wiederhörensfreude auslösen, man würde The xx gar nicht erkennen. Nicht der einzige Überraschungseffekt auf „I See You“, dem dritten Album der Londoner.
So ganz aus dem Nichts kommt die Verwandlung nicht. Denn seit dem 2012 erschienenen, reduzierten Vorgänger „Coexist“hat sich viel geändert für das Trio. Madley Croft zog nach Los Angeles und arbeitete mit anderen Songwritern, Sim modelte für Dior und Jamie Smith, der früher gern übersehene Dritte im Bunde, machte Karriere als DJ und Produzent, unter anderem für Drake und Rihanna. Und er veröffentlichte 2015 mit „In Colour“ein gefeiertes Soloalbum – auf dem beide Bandkollegen mitwirkten.
Kein Wunder also, dass „I See You“an dieses Werk anknüpft. Die Schüchternheit ist an vielen Stellen einer urbanen Coolness gewichen, die musikalische Zurückhaltung einer stärkeren Orientierung an aktuellen Trends der Dance-Music. Das ist nur beim ersten Hinhören schade: The xx steht ihr neuer Stil. Die Vorab-Single „On Hold“, traurig und hoffnungsvoll zugleich, ist einer der größten Ohrwürmer der vergangenen Monate, andere Stücke wie „Say Something Loving“machen da nahtlos weiter. Und aus Songs wie „A Violent Noise“oder „Brave For You“spricht jene Zartheit, die in The xx wie in keiner anderen Band steckt.
Gewissermaßen ist das dritte Album die logische Konsequenz ihrer bisherigen Entwicklung: Aus den Popstars aus einem sensibleren Paralleluniversum sind echte Stars geworden. The xx haben 2,7 Millionen Platten verkauft und füllen auf ihren Tourneen große Hallen. Sie sind ein Teil des globalen Mainstreams – und sie entziehen sich diesem nicht. Sie setzen weiter eigene Maßstäbe. (mgo) *****
(Beggars/Indigo)