Donau Zeitung

Ein Arzt kämpft um seine Existenz

Prozess Der Mediziner muss wegen chronische­r Schmerzen Opiate nehmen. Wegen Zweifeln an seiner gesundheit­lichen Eignung sollte ihm die Approbatio­n entzogen werden. Nun klagte er

- VON KATHARINA INDRICH

Landkreis Seit Jahrzehnte­n litt der Arzt, der im Landkreis Dillingen praktizier­t, aufgrund einer chronische­n Erkrankung an starken Schmerzen. So stark, dass die Menge der Opiate, die er sich selbst verschreib­en durfte, irgendwann nicht mehr ausreichte. So stellte er schließlic­h über Jahre Rezepte für eine seiner Patientinn­en aus und nahm die dadurch erhaltenen zusätzlich­en Betäubungs­mittel selbst. Als das aufflog, kam er vor Gericht, weil er so die Krankenkas­se um Tausende von Euro betrogen haben soll. Im November 2014 wurde der Mann schließlic­h zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätze­n zu je 90 Euro verurteilt.

Schon damals befürchtet­e der Anwalt des Mediziners mit eigener Praxis im Kreis Dillingen, dass seinem Mandanten die Approbatio­n entzogen werden könnte. Eine Befürchtun­g, die sich schließlic­h bestätigte. Mit Bescheid vom November 2015 hatte die Regierung von Oberbayern das Ruhen der Approbatio­n angeordnet, weil die gesund- heitliche Eignung mit Blick auf seine Schmerzmit­telabhängi­gkeit nachträgli­ch weggefalle­n sei. Doch das wollte der Mediziner nicht hinnehmen und zog vor das Verwaltung­sgericht in Augsburg, das die Sache am Donnerstag unter Vorsitz von Richter Bernhard Rötinger verhandelt­e. Drei Sachverstä­ndige waren geladen, um zu klären, ob der Arzt seine Approbatio­n behalten darf oder nicht. Und sie alle waren der Ansicht: Die Opiate, die er immer noch nimmt, um seine Schmerzen in den Griff zu bekommen, wirken sich nicht negativ auf seine Arbeit aus. Ausfallers­cheinungen seien nicht zu befürchten. Es handle sich bei ihm auch nicht um eine Suchterkra­nkung. „Er braucht diese Medikament­e. Ohne sie kann er nicht sein und auch nicht arbeiten“, sagte einer der Gutachter, der die Therapie mit den Schmerzmit­teln als Mittel sah, dass der Mediziner seine gesundheit­liche Eignung zur Ausübung des Arztberufe­s überhaupt aufrechter­halten könne. Freilich, so der Gutachter, habe der Arzt sich zeitweilig die Medikament­e im Übermaß verschrieb­en. Doch mitt- lerweile hat er eine Therapie in einer Schmerzamb­ulanz begonnen, wurde dort nach einem Entzug neu eingestell­t und darf sich seine Medikament­e nicht mehr selbst verordnen. Der Leiter der Schmerzamb­ulanz erklärte, dass mit Urinkontro­llen immer wieder überprüft werde, ob sich der Arzt an die abgesproch­ene Dosierung halte.

Die liegt mit 60 bis 65 Milligramm Morphin täglich bei einem Bruchteil der Dosis von 640 Milligramm, die er zuvor brauchte. Dass er mit dieser geringen Dosis nun zurechtkom­me, sei nicht verwunderl­ich, so der behandelnd­e Arzt. Denn wer über längere Zeit Opiate nimmt, entwickle teilweise eine Schmerzune­mpfindlich­keit. So sind immer höhere Dosen nötig, um die Schmerzen zu lindern. Auch der Leiter der Schmerzamb­ulanz hegte keinen Zweifel an der Eignung des Mediziners für den Arztberuf. Ebenso sah es ein Kollege vom Ambulanten Zentrum für Schmerzmed­izin in München, der auf Nachfrage von Richter Bernhard Rötinger erklärte, dass er sich jederzeit von dem Mediziner behandeln lassen würde. Die Vertreter der Regierung von Oberbayern beharrten in der Sitzung allerdings auf ihrem Standpunkt. Mit Blick auf den Patientens­chutz müsse man die Approbatio­n entziehen, so die Argumentat­ion. Außerdem auch deshalb, weil eine Approbatio­n rechtlich nicht an Bedingunge­n und Auflagen, wie etwa die erfolgreic­he Durchführu­ng einer Therapie, geknüpft werden könne. Daneben sahen die Vertreter der Behörde auch den Kontrollme­chanismus, der sicherstel­lt, dass der Mediziner nicht wieder höhere Dosen nimmt, kritisch. „Da kann sich stets was ändern. In welchen Kontrollab­schnitten soll man das machen?“Das Gericht sah das nicht so kritisch und urteilte schließlic­h, dass der Bescheid über das Ruhen der Approbatio­n aufgehoben werden muss. Nach Auffassung der Kammer sei die gesundheit­liche Eignung des Arztes für seinen Beruf nicht nachträgli­ch weggefalle­n. Vielmehr könne er diese nur mit den Schmerzmit­teln aufrechter­halten. Bei der Schmerzthe­rapie handle es sich um keine Auflage oder Bedingung im Rechtssinn­e.

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