Ein Arzt kämpft um seine Existenz
Prozess Der Mediziner muss wegen chronischer Schmerzen Opiate nehmen. Wegen Zweifeln an seiner gesundheitlichen Eignung sollte ihm die Approbation entzogen werden. Nun klagte er
Landkreis Seit Jahrzehnten litt der Arzt, der im Landkreis Dillingen praktiziert, aufgrund einer chronischen Erkrankung an starken Schmerzen. So stark, dass die Menge der Opiate, die er sich selbst verschreiben durfte, irgendwann nicht mehr ausreichte. So stellte er schließlich über Jahre Rezepte für eine seiner Patientinnen aus und nahm die dadurch erhaltenen zusätzlichen Betäubungsmittel selbst. Als das aufflog, kam er vor Gericht, weil er so die Krankenkasse um Tausende von Euro betrogen haben soll. Im November 2014 wurde der Mann schließlich zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt.
Schon damals befürchtete der Anwalt des Mediziners mit eigener Praxis im Kreis Dillingen, dass seinem Mandanten die Approbation entzogen werden könnte. Eine Befürchtung, die sich schließlich bestätigte. Mit Bescheid vom November 2015 hatte die Regierung von Oberbayern das Ruhen der Approbation angeordnet, weil die gesund- heitliche Eignung mit Blick auf seine Schmerzmittelabhängigkeit nachträglich weggefallen sei. Doch das wollte der Mediziner nicht hinnehmen und zog vor das Verwaltungsgericht in Augsburg, das die Sache am Donnerstag unter Vorsitz von Richter Bernhard Rötinger verhandelte. Drei Sachverständige waren geladen, um zu klären, ob der Arzt seine Approbation behalten darf oder nicht. Und sie alle waren der Ansicht: Die Opiate, die er immer noch nimmt, um seine Schmerzen in den Griff zu bekommen, wirken sich nicht negativ auf seine Arbeit aus. Ausfallerscheinungen seien nicht zu befürchten. Es handle sich bei ihm auch nicht um eine Suchterkrankung. „Er braucht diese Medikamente. Ohne sie kann er nicht sein und auch nicht arbeiten“, sagte einer der Gutachter, der die Therapie mit den Schmerzmitteln als Mittel sah, dass der Mediziner seine gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufes überhaupt aufrechterhalten könne. Freilich, so der Gutachter, habe der Arzt sich zeitweilig die Medikamente im Übermaß verschrieben. Doch mitt- lerweile hat er eine Therapie in einer Schmerzambulanz begonnen, wurde dort nach einem Entzug neu eingestellt und darf sich seine Medikamente nicht mehr selbst verordnen. Der Leiter der Schmerzambulanz erklärte, dass mit Urinkontrollen immer wieder überprüft werde, ob sich der Arzt an die abgesprochene Dosierung halte.
Die liegt mit 60 bis 65 Milligramm Morphin täglich bei einem Bruchteil der Dosis von 640 Milligramm, die er zuvor brauchte. Dass er mit dieser geringen Dosis nun zurechtkomme, sei nicht verwunderlich, so der behandelnde Arzt. Denn wer über längere Zeit Opiate nimmt, entwickle teilweise eine Schmerzunempfindlichkeit. So sind immer höhere Dosen nötig, um die Schmerzen zu lindern. Auch der Leiter der Schmerzambulanz hegte keinen Zweifel an der Eignung des Mediziners für den Arztberuf. Ebenso sah es ein Kollege vom Ambulanten Zentrum für Schmerzmedizin in München, der auf Nachfrage von Richter Bernhard Rötinger erklärte, dass er sich jederzeit von dem Mediziner behandeln lassen würde. Die Vertreter der Regierung von Oberbayern beharrten in der Sitzung allerdings auf ihrem Standpunkt. Mit Blick auf den Patientenschutz müsse man die Approbation entziehen, so die Argumentation. Außerdem auch deshalb, weil eine Approbation rechtlich nicht an Bedingungen und Auflagen, wie etwa die erfolgreiche Durchführung einer Therapie, geknüpft werden könne. Daneben sahen die Vertreter der Behörde auch den Kontrollmechanismus, der sicherstellt, dass der Mediziner nicht wieder höhere Dosen nimmt, kritisch. „Da kann sich stets was ändern. In welchen Kontrollabschnitten soll man das machen?“Das Gericht sah das nicht so kritisch und urteilte schließlich, dass der Bescheid über das Ruhen der Approbation aufgehoben werden muss. Nach Auffassung der Kammer sei die gesundheitliche Eignung des Arztes für seinen Beruf nicht nachträglich weggefallen. Vielmehr könne er diese nur mit den Schmerzmitteln aufrechterhalten. Bei der Schmerztherapie handle es sich um keine Auflage oder Bedingung im Rechtssinne.