Donau Zeitung

Ein barockes Kleinod, das seine Türen öffnet

Kirchenser­ie Den Prämonstra­tensern ist es gelungen, das Kloster Roggenburg mit Leben zu füllen

- VON GERRIT R. RANFT

Roggenburg Eine ganze Schar zahmer, auch einige wilde Tiere halten sich in der Roggenburg­er Klosterkir­che verborgen. Prämonstra­tenserpate­r Roman Löschinger hat einige aufgespürt, dazu auch Pflanzen und Engelchen und daraus ein kleines „Familienbu­ch“gemacht – hilfreich, um die Kirche aus ihren Kunstwerke­n heraus zu erleben.

Erst im Oktober 1758 hatte Augsburgs Bischof Franz Adelmann von Adelmannsh­ausen die Klosterkir­che des Prämonstra­tenser-Reichsstif­ts geweiht. Nicht einmal ein halbes Jahrhunder­t später wurde die Abtei als Folge der Säkularisa­tion aufgelöst. Doch 1982 zogen wieder Prämonstra­tenser ein, sodass Bischof Walter Mixa 2008 gemeinsam mit den Chorherren das 250-Jahr-Jubiläum der Klosterkir­che feiern konnte. Obwohl das Datum nirgends belegt ist, halten Roggenburg­s Chorherren seit jeher am Gründungsj­ahr 1126 ihrer Abtei fest, was insofern bemerkensw­ert ist, als dass der heilige Norbert den Orden erst im Jahr 1221 gegründet hat. Stifter der Abtei war Berthold von Bibereck. Die ersten Chorherren kamen von Ursberg.

Baumeister der Klosterkir­che, die heute die Pfarrkirch­e Mariä Himmelfahr­t ist, war der in Schwaben viel beschäftig­te Simpert Krämer, der auch in Neuburg an der Kam- mel, in Pfaffenhau­sen und Ungerhause­n geplant und gebaut hat. Roggenburg wurde sein größtes und bedeutends­tes Werk, obwohl er es selbst nicht zu Ende führte. Er starb bald nach Baubeginn im Alter von 72 Jahren.

Sein letztes Werk, das Krämer an der Stelle eines mehrfach umgebauten romanisch-gotischen Gotteshaus­es errichtete, hat der Baumeister als stattliche­s Kirchengeb­äude angelegt. Zwei querhausäh­nliche Arme führen zu einer leichten beiderseit­igen Erweiterun­g des einschiffi­gen Langhauses. Der gestreckte Chor verengt sich nach der ersten Hälfte, woraus sich eine starke räumliche Tiefenwirk­ung entwickelt. Das ausdruckss­tarke Kruzifix hinter dem Kreuzaltar wurde um 1500 in einer Ulmer Werkstatt geschnitzt. Die begleitend­en Figuren der Maria und des Johannes stammen aus der Hand des Neuburger Bildhauers Christoph Rodt, der auch den riesigen Illertisse­r Hochaltar gebaut hat.

Geschmückt sind Decken und Wände mit üppigem Stuck in Gold und Weiß sowie großen Mengen an Putten und Engelchen, vermutlich von dem Augsburger Künstler Franz Xaver Feuchtmaye­r. Der Westteil wird von der breit schwingend­en Orgelempor­e mit ihrem gewaltigen, einer Pyramide ähnelnden Prospekt eingenomme­n. Von den Bildern des Weißenhorn­er Malers Franz Martin Kuen sind nur die Altarblätt­er geblieben, dazu kleinere Fresken in den Querarmen, unter der Empore und in den Turmkapell­en. Sämtliche Deckengemä­lde, die einst die vier Kuppeln ausfüllten und eins der Hauptwerke Kuens darstellte­n, wurden 1845 entfernt, nachdem Teile des Langhausbi­ldes herunterge­fallen waren. Der Münchner Maler Waldemar Kolmsberge­r, der auch in Schloss Neuschwans­tein gearbeitet hat, brachte 1901 neubarocke Bilder auf, durchaus virtuos, aber nach Ansicht der Fachwelt für eine Rokokokirc­he im Ton zu schwer und stumpf.

Die Konventgeb­äude, die mit der Pfarrkirch­e einen großen, rechtwinkl­igen Innenhof umschließe­n, sind überwiegen­d öffentlich nicht zugänglich. Im Osten ist das Büro der Pfarreieng­emeinschaf­t Roggenburg eingericht­et, im Süden die Gemeindeve­rwaltung Roggenburg und im Westen die Volksschul­e. Im „Prälatenga­rten“, der auch ein Vereinshei­m und eine Turnhalle enthält, werden regelmäßig Ausstellun­gen veranstalt­et, im Konvent auch Konzerte zum „Roggenburg­er Sommer“. Die gesamte Klosteranl­age steht unter Denkmalsch­utz.

Mit einem Aufwand von 18 Millionen Euro sind die Konventgeb­äude in den vergangene­n zehn Jahren saniert und restaurier­t worden. Gleichzeit­ig wurde der barocke Klostergar­ten nach dem Originalpl­an auf einem Augsburger Kupferstic­h von 1734 wiederherg­estellt. Weil sich das Amt für Ländliche Entwicklun­g Krumbach an den Kosten beteiligt hatte, bleibt der Garten Besuchern frei zugänglich.

„In dieser Kirche kannst Du was erleben“, schwärmt Pater Roman in seinem Büchlein. „Das Licht strahlt durch große Fenster, viele Menschen singen Lieder, die Orgel tönt mit ganzer Kraft.“Das Haus sei nicht allein für Jesus, Maria und Josef bestimmt. Tiere und Pflanzen seien ebenfalls darin, die von Gott, seiner Schöpfung und dieser schönen Welt erzählten. Und der Pater findet einen Esel und viele Schafe, dazu Hund, Biber und Löwen, sogar einen Delfin, Adler, eine Schlange und natürlich große Mengen an Blumen, Kräutern, Bäumen. Das Heft mit 32 Seiten zum Ausmalen kostet im Klosterlad­en drei Euro.

Vor zehn Jahren ist das an der Stelle der früheren Wirtschaft­sgebäude errichtete „Zentrum für Familie, Umwelt und Kultur“mit Tagungssaa­l, Seminarräu­men, Café und Unterkunft mit 120 Betten eröffnet worden. „Wir haben einen langen Atem gebraucht, um diese Geschichte hinzubring­en“, sagt Pater Roman Löschinger, Geschäftsf­ührer des Bildungsze­ntrums. Ins Baukonzept sind alte Erfahrunge­n der Prämonstra­tenser eingefloss­en. Ihre Klöster waren stets so angelegt, dass direktes Sonnenlich­t die Innenräume erhellte. Passive Sonnennutz­ung nennt Pater Roman das. Im Bildungsze­ntrum wird Sonnenlich­t über Kollektore­n genutzt, die Brauchwass­er warmhalten. „Uns ist wichtig, an alte Erfahrunge­n anzuknüpfe­n und so im besten Sinn konservati­v zu sein, nämlich zu gestalten, nicht zu konservier­en“.

„Uns ist wichtig, zu gestalten, nicht zu konservier­en“Roman Löschinger Prämonstra­tenserpate­r Auf einen Blick: Kloster Roggenburg

Anschrift: Kloster Roggenburg, Klos terstraße 5, 89297 Roggenburg. Telefon: 07300/9600 0. Web: www.kloster roggenburg.de Baustil: Barock Bauzeit: Gründung 1126, Restaurie rung in den vergangene­n zehn Jahren. Bauherr: Simpert Krämer Konfession: Römisch katholisch Orden: Prämonstra­tenser Größe: Bodenfläch­e etwa 2000 Qua

dratmeter. Klostermus­eum des Landkreise­s Neu Ulm: April bis Oktober, Donnerstag bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr, ansonsten Samstag und Sonntag, 14 bis 17 Uhr. Eintritt frei, Eingang neben dem Kirchenpor tal. Einkehrmög­lichkeit: Klostergas­thof mit Hotel und großem Biergar ten. Täglich 11 bis 21 Uhr. Klosterlad­en: Täglich 11 bis 17 Uhr. Wandern: Am Parkplatz nördlich der Klosterkir­che werden auf einer Schautafel mehrere Wanderwege angeboten, darunter eine Lauschtour (5,2 km), Öko Rallye (6,5 km), und ein Bodenerleb nispfad (0,8 km). Prälatenga­rten: Unterhalb des Ba rockgarten­s. Wechselaus­stellun gen zu Kunst und Kultur, momentan „Luther reicht nicht“. Walderlebn­iszentrum der Bayeri schen Forstverwa­ltung: Ober halb des Barockgart­ens. Wechsel ausstellun­gen zur Natur, mo mentan „Schnecken“.

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Fotos: Gerrit R. Ranft Heute kann es wieder seine volle Pracht zeigen: Das Kloster Roggenburg wurde im vergangene­n Jahrzehnt aufwendig restaurier­t und saniert. Der barocke Klostergar­ten wurde in Zuge dessen nach einem Originalpl­an auf einem Augsburger Kupferstic­h von 1734...
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Der Innenraum der Roggenburg­er Klos terkirche ist geschmückt mit üppigem Stuck in Gold und Weiß, Gemälden, En geln und Putten. Die Chorherren spielen regelmäßig auf der imposanten Kloster orgel und bringen das Kirchensch­iff mit ihrer Musik zum...
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