Donau Zeitung

„Er hat gesagt, er schneidet mir den Hals durch“

Prozess Nach einem Streit will ein 56-Jähriger seine Nachbarn zur Rede stellen. An die Sprechanla­ge geht eine andere Bewohnerin und lässt ihn nicht ins Haus. Er reagiert rabiat

- VON JAKOB STADLER

Nach einem Streit klingelt ein Mann an der Tür des Nachbarhau­ses. Als ihm der Zugang verwehrt wird, rastet er aus. »Lokales

Dillingen Es ist ein Sonntagabe­nd im Juli 2016, als der Mann bei der heute 48-Jährigen klingelt. „Ich wusste ja gar nicht, wer unten steht“, erzählt sie. Von ihrer Wohnung in dem Mehrfamili­enhaus im nördlichen Landkreis aus kann sie den Hauseingan­g nicht sehen, daher geht sie an die Sprechanla­ge. „Er hat gesagt, er will rein.“Da sie ihn nicht kennt, lässt sie ihn nicht in das Haus. Er ist ungehalten und sagt, er wolle zu einem Nachbarn. Als sie sich weigert, wird der Mann aggressive­r. „Er hat gesagt, wenn ich ihn nicht reinlasse, dann kommt er die nächsten Tage vorbei und schneidet mir den Hals durch.“Sie legt auf. Kurz darauf wirft der Mann die Scheibe der Haustür mit einem Stein ein. „Ich habe Angst gekriegt, ich habe gezittert, als ich die Tür klirren gehört habe“, sagt die Bewohnerin. „Ich dachte, er ist jetzt gleich oben.“

Der Mann aber geht zurück auf das Nachbargru­ndstück. Dort wohnt er, bei ihm findet gerade eine Feier statt. Einige Minuten später kommt die Polizei, um den Vorfall aufzunehme­n. Der Aktion ging etwa zwei Stunden zuvor ein Streit mit ganz anderen Nachbarn voraus.

Der Mann, der die eigentlich un- beteiligte Frau bedroht und die Scheibe eingeworfe­n hat, musste sich jetzt vor dem Dillinger Amtsgerich­t verantwort­en. Da die Bedrohung mit der Aufforderu­ng, die Tür zu öffnen, verbunden war, kommt eine Verurteilu­ng wegen Nötigung und Sachbeschä­digung in Betracht.

Der 56-Jährige gesteht. „Ich räume das im vollen Umfang ein“, sagt er gleich zu Beginn der Verhandlun­g. „Ich habe an der Sprechanla­ge jemanden beleidigt oder bedroht.“Wer das war, wisse er nicht, und an Details könne er sich nicht erinnern. Aber es werde schon so gewesen sein, wie die Frau es der Polizei erzählt hat. Grundsätzl­ich trinke er nicht übermäßig, aber an diesem Tag sei ja die Feier gewesen. „Ich kenne mich, wenn ich etwas getrunken habe, werde ich ein bisschen aggressiv.“Die Polizei stellte 1,52 Promille Alkohol im Blut fest.

Nach der Zeugenauss­age der Frau, die er bedrohte, entschuldi­gt er sich. „Tut mir leid“, sagt er und versichert: „Sie brauchen keine Angst zu haben.“Ausdrückli­ch nicht entschuldi­gen möchte er sich aber bei den beiden Nachbarn, zu denen er eigentlich wollte.

Die hätten ihn provoziert. Wie genau, da unterschei­den sich die Aussagen des Angeklagte­n und die des Nachbarn deutlich. Auf jeden Fall war eine Kamera im Spiel. Und ein Fußball, den drei Jugendlich­e während der Feier auf das Nachbargru­ndstück geschossen hatten. Der Nachbar erklärt, er habe befürchtet, dass sie auf das Grundstück klettern und dabei Schaden anrichten würden. Deshalb habe er die Kamera geholt und sich auf den Balkon gestellt, um im Falle eines Falles Beweisfoto­s zu schießen.

Beim Angeklagte­n hört sich das anders an. „Er hat ständig weiterfoto­grafiert, obwohl keiner sein Grundstück betreten hat. Ich habe gesagt: Hör auf! Was soll das?“Der Bewohner umschreibt diese Aufforderu­ng so: „Er hat gesagt: Nimm den Foto weg! Sonst kommt er rauf und haut mir – etwas vornehmer ausgedrück­t – den Foto ins Hinterteil, ich asoziales A-Punkt.“Er habe den Balkon danach verlassen und sei später in die Werkstatt im Keller gegangen. Der Angeklagte war offensicht­lich weiterhin wütend, denn er rief die Polizei. Die kam vorbei, traf den Fotografen aber nicht an – möglicherw­eise hörte er das Klingeln nicht, weil er in der Werkstatt war.

Dass die Situation eskalierte, lag laut dem Angeklagte­n an einer weiteren Provokatio­n. Er sagt, die Lebensgefä­hrtin des Nachbarn habe später noch einmal auf dem Balkon gestanden und mit leeren Händen so getan, als bediene sie eine Kamera. Das habe ihn so wütend gemacht, dass er sie und den Mann zur Rede stellen wollte, er ging zur Tür des Hauses. Dabei drückte er auf mehrere Klingeln, deshalb meldete sich die unbeteilig­te Nachbarin.

Eine kurze Freiheitss­trafe ist angemessen, da sind sich Staatsanwä­ltin Birgit Milzarek und Richterin Beate Bernard einig. Verteidige­r Rainer Stopp hält eine Geldstrafe für ausreichen­d und fordert, eine mögliche Freiheitss­trafe zur Bewährung auszusetze­n. Gegen seinen Mandanten sprechen seine Vorstrafen – mehr als 20 Mal wurde er bereits wegen verschiede­ner Straftaten verurteilt und saß immer wieder im Gefängnis. Trotzdem sieht Bernard Gründe für eine Bewährung. Die letzte Tat liege immerhin mehr als acht Jahre zurück, in der drei Jahre andauernde­n Bewährungs­zeit beging er keine Straftaten. Zudem habe der Mann einen festen Job, eine Frau und ein kleines Kind – sie könne daher eine günstige Sozialprog­nose stellen. So verurteilt sie den 56-Jährigen zu einer Freiheitss­trafe von fünf Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird.

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