Die Familie um Zehntausende Euro betrogen
Prozess Vom Konto der Schwiegereltern in spe verschwindet Geld. Auch dem Patenonkel seines Sohnes schuldet ein Mann knapp 10000 Euro
Dillingen Der 48-Jährige hat mindestens 250000 Euro Schulden. Er hatte sich selbstständig gemacht, nach 18 Jahren musste er seine Finanzkanzlei schließen. Mit einer Wirtschaft, die er danach eröffnete, ging der gelernte Koch ebenfalls pleite. Nicht nur er selbst steht vor der Insolvenz. Auch die Eltern seiner Lebensgefährtin sind durch ihn in eine finanzielle Notlage geraten. Sie hatten für ihn einen Kredit von 40000 Euro aufgenommen, 33 000 Euro hat er sich von ihrem Konto überwiesen und weitere 10 000 Euro sollte er für sie anlegen. Vom Patenonkel seines siebenjährigen Sohnes hat er sich 10000 Euro geliehen. Weil ein Fonds, in dem er eigenes Geld angelegt hatte, pleite ging, konnte er es nicht zurückzahlen. Der Patenonkel hat den Kontakt zur Familie abgebrochen. Auch Geld, dass er für Kunden anlegen sollte, verschwand im Schuldensumpf des 48-Jährigen. Er wollte es in einem Online-Casino zurückgewinnen – und machte weitere Verluste. „Ich habe versucht, das Geld wieder zu generieren. Dass das der falsche Weg war, das weiß ich.“
Seinen Schwiegervater in spe spricht er trotzdem mit „Papa“an, als der im Schöffengericht in Dillingen gegen ihn aussagt. Der Rentner sagt, auf die Frage, wie das Verhältnis zum Angeklagten ist: „Er gehört halt zur Familie.“In Augsburg läuft noch ein Zivilprozess gegen den 48-Jährigen. Dort fordern die Eltern der Lebensgefährtin 87 000 von ihm. In Dillingen geht es um eine Verurteilung wegen Betruges und Veruntreuung. Grundsätzlich räumt der Angeklagte die Taten ein, bei der Polizei hat er bereits ein umfassendes Geständnis abgeliefert. Zu Beginn der Verhandlung lässt er seine Ausführungen von Verteidiger Florian Engert vorlesen. Der Angeklagte sitzt mit zusammengepressten Lippen daneben, fährt sich immer wieder mit der Hand über den Mund und richtet die Augen auf die Tischplatte vor sich. Er habe das Geld verzockt. Von den 33000 Euro, die er vom Konto der Eltern seiner Freundin überwies, hätten sie allerdings gewusst.
Insgesamt tätigte er nach und nach 46 einzelne Überweisungen, Beträge zwischen mehreren Hundert bis hin zu Tausenden Euro, alle via Onlinebanking. Der Angeklagte verwaltete das Konto für das Rentnerehepaar. Um über das Netz Geld zu überweisen, benötigte er jedes Mal eine Transaktionsnummer, kurz TAN. Der Angeklagte behauptet, vor jeder Überweisung mit dem Vater seiner Freundin telefoniert zu haben, der habe ihm dann die Nummer vorgelesen. Dieser sagt aber, er habe von den 46 Abbuchungen nichts gewusst. „Das ist mir erst aufgefallen, als ich Geld abheben wollte und das Konto gesperrt war.“Bei der Polizei hatte der Angeklagte angegeben, er habe sich die TANs unter einem Vorwand besorgt.
Richter Patrick Hecken fasst zusammen: „Sie sind irgendwo falsch abgebogen und haben die Reißleine nicht gezogen.“Dass der 48-Jährige mit dem Rücken zur Wand stand, zeigt die Geschichte, die hinter den 10000 Euro steht, die er für die Eltern seiner Freundin anlegen sollte: Die zahlten das Geld auf sein Konto ein – das mit 7000 Euro im Minus war. Die Bank bestand darauf, dass es nicht mehr überzogen wird.
Vom Patenonkel seines Sohnes pumpte er sich später Geld, als er mit der Pacht für seine Wirtschaft in Rückstand geriet. Er habe beteuert, es sei nur ein finanzieller Engpass, erinnert sich der Patenonkel, der als Zeuge aussagt. In ein paar Monaten werde ein Festgeldkonto frei und er könne das Darlehen zurückzahlen. „Ich habe ihm vertraut, ich kenne ihn ja.“Das Konto gab es wohl tatsächlich, allerdings war es kein sicheres Festgeld, sondern ein Immobilienfonds, der pleite ging. „Er war einfach nicht ehrlich zu mir.“
Verteidiger Engert weist im Plädoyer auf Ungenauigkeiten in der Aussage des Vaters der Lebensgefährtin seines Mandanten hin. Die Indizien reichten nicht für eine Verurteilung, „weil nicht auszuschließen ist, dass er ihm die TANs gegeben hat“. Wegen der anderen Taten fordert er zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Staatsanwalt Markus Klatt fordert eine Haft von drei Jahren und sechs Monaten. Der Angeklagte habe „bewusst die finanzielle Leichtgläubigkeit der Schwiegereltern ausgenutzt“. Bei der Urteilsverkündung sagt Richter Hecken, er wisse zwar nicht, wie der Mann an die TANs gekommen sei, „aber sie wurden ihm sicher nicht überlassen, um das Geld mit Glücksspiel zurückzuerlangen“. Eine Bewährung sei ausgeschlossen, denn: „Man muss bei Ihnen stündlich damit rechnen, dass Sie den nächsten Gutgläubigen um sein Geld bringen.“Hecken verurteilt den Familienvater zu zwei Jahren und neun Monaten in Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.