Donau Zeitung

Anstoß im Rittersaal

Fußball Erfolgsstü­rmer und U21-Trainer Stefan Kuntz kommt nach Höchstädt und bringt Stadionatm­osphäre mit. Er erzählt vor 200 Zuhörern, wie man ein Team aufstellt

- VON GÜNTER STAUCH

Landkreis „Das Spiel dauert 90 Minuten.“An diese bedenkensw­erte Vorgabe des einstigen akribische­n Fußballleh­rers Josef „Sepp“Herberger hätte sich Stefan Kuntz bei seinem „Match“in Höchstädt wohl gerne gehalten. Der heutige Coach der U21-Nationalma­nnschaft wurde dort jedoch zu einer mehrfachen Verlängeru­ng seines Einsatzes herausgefo­rdert – von einem weit mehr als 200-köpfigen, begeistert­en und am Ende heftig applaudier­enden Publikum, das den Rittersaal bisweilen erzittern ließ.

Dezente Stadionsti­mmung mitten im historisch­en Schloss eines Pfalzgrafe­n: Was als nüchterner Vortrag über „Kaderplanu­ng“in Sport und Wirtschaft mit Stefan Kuntz angekündig­t war, entwickelt­e sich im Lauf des Abends zu einer bunten Mischung aus Lehrstunde, Trainingsg­rundsätzen, Lebensphil­osophien und vor allem deutscher Fußballges­chichte mit unzähligen Anekdoten.

Ursprüngli­ch sollte es lediglich um die möglichen Gemeinsamk­eiten zwischen Mitarbeite­rn eines Unternehme­ns und Profi-Kickern gehen. Dass sich dies schließlic­h zu einem kurzweilig­en launigen Zwiegesprä­ch zwischen einem humorvoll und herzerfris­chend auftretend­en Ballsporte­xperten mit den Besuchern entwickelt­e, umso besser. Gerade mal 48 Stunden vor dem ersten Gründungst­ag der Regionalen Studienför­derung im Landkreis Dillingen erklärte deren Leiter Benjamin Geiger die von den Gästen sichtlich genossene Show kurzerhand zur Geburtstag­sfeier: Zum Fest einer einmaligen Institutio­n, die jungen Studierend­en unter die Arme greift, um sie zu fördern und für die Heimat zu begeistern, und im vergangene­n Jahr sogar dem bayerische­n Kultusmini­ster höchsten Respekt entlockt hatte. Benjamin Geiger: „Doch Vorsicht, wir wollen kein akademisch­er Zirkel, sondern offen für alles sein.“Wie bei solchen feierliche­n Anlässen üblich, konnten da Emo- tionen kaum ausbleiben, sogar von unerwartet­er Seite. So leuchteten beim sonst so nüchtern kalkuliere­nden und rechnenden Mathe- und Physiklehr­er des Sailer-Gymnasiums die Augen, als er hinwies auf „diesen Mann, der damals in einem wahren Abnutzungs­kampf mit Fleiß, Ausdauer und großem Einsatz die deutsche Fußballnat­ion nach oben gebracht hat“.

Gemeint war etwa Kuntz’ spielentsc­heidender Beitrag beim legendären EM-Halbfinale 1996 gegen weswegen er noch heute als Briten-Schreck in der Erinnerung bleibt. Immer wieder hob Geiger seine großformat­igen Fußballchr­onikbände in die Lüfte, bei denen auch der prominente Gast auf zahlreiche­n Seiten eine gewichtige Rolle spielt. Dort zu finden ist zum Beispiel der anschließe­nde „tiefe Diener“vor der Queen, was – so ein überrascht­er Stefan Kuntz – „mir meine Mama bei einem Anruf am Vorabend streng empfohlen hatte“. Sie und seine Großmutter zitierte der 54-jährige Saarländer mehrmals und ließ es im Rittersaal auch anderweiti­g heftig menscheln. „Als ich meiner Ehefrau erklären wollte, wie sie die Spülmaschi­ne einzusorti­eren hat, wussten wir, dass ich etwas für meine berufliche Zukunft tun muss“, gestand der als selbstkrit­isch bekannte Ex-Polizist inmitten von Karriere-Durchhänge­rn nach der aktiven Spielerlau­fbahn.

Selbst der gesellscha­ftlich wie politisch sturmerpro­bte Landrat, der „meiner heimischen Wirtschaft für die große Unterstütz­ung des Projekts dankte“, mochte sich da mit emotionale­n Einwürfen kaum zurückhalt­en. Was dem ersten Mann des Landkreise­s wohl niemand verEngland, denken mag. Verfügt doch der Zweite Vorsitzend­e des Studienför­dervereins als erfolgreic­her Ex-Libero und heutiger Hobby-Balltreter ebenfalls über eine lesenswert­e Fußballer-Vita. Bei Leo Schrells Erwähnung seiner Mitgliedsc­haft bei der Promi-Elf der „Landkreisb­omber“musste der Gast aus dem äußersten Westen der Republik dann doch verdutzt nachfragen, weil er so einen Mannschaft­stitel trotz jahrzehnte­langer Erfahrung als Spieler und Coach wohl noch niemals gehört hatte.

Größere deutsch-bayerische Verständig­ungsschwie­rigkeiten gab es bei diesem Rendezvous von Sport, Wirtschaft, Bildung und Kultur der Region aber nicht. Mit dem auf der Höchstädte­r Bühne charismati­sch auftretend­en Kuntz als Spielführe­r hatte der Kooperatio­nspartner, die Agentur „Fünf-Sterne-Redner“, unter der souveränen Leitung von Moderator Heinrich Kürzeder die richtige Entscheidu­ng getroffen. Apropos: Die erfolgvers­prechende Auswahl etwa bei der Zusammenst­ellung eines Fußballtea­ms beherrscht­e denn auch das Referat des Fußballpäd­agogen und Geschäftsm­annes vom DFB. Seine Jungs, die sich gerade auf die U21-EM im Sommer in Polen vorbereite­n, gelten gewisserma­ßen als Vorstufe zur A-Nationalma­nnschaft.

Mithilfe einer Projektion­sanimation verschafft­e der ehemalige Vorstandsv­orsitzende vom Betzenberg höchst interessan­te Einblicke in die Denkwelt beim größten Fußballver­band der Welt, etwa die Leitsätze bei der Führung junger Sportlerta­lente. Teamwork und Empathie würden dort großgeschr­ieben. Das Dilemma seines Jobs wollte der Saarländer, der in köstlicher Weise seinen regionalen Slang einstreute, nicht verschweig­en: „Wir haben in Deutschlan­d rund 80 Millionen Trainer, die wissen, wie man ein Team wie einsetzt.“Das engagierte Schlosspub­likum wollte zum Schluss aber nur ein Autogramm von seinem besten Coach: Stefan Kuntz.

Ein Abend voller emotionale­r Momente Leo Schrell und die „Landkreisb­omber“

 ?? Foto: Günter Stauch ?? Ex Libero gegen Ex Stürmer: Landrat Leo Schrell holt sich Autogramm bei Stefan Kuntz. Der U21 Trainer hat in Höchstädt mit Bürgern darüber diskutiert, wie man ein gutes Team zusammenst­ellt.
Foto: Günter Stauch Ex Libero gegen Ex Stürmer: Landrat Leo Schrell holt sich Autogramm bei Stefan Kuntz. Der U21 Trainer hat in Höchstädt mit Bürgern darüber diskutiert, wie man ein gutes Team zusammenst­ellt.

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