Donau Zeitung

Wenn Besucher Isas Zuckerdose­n klauen

Sicherheit Immer mehr Einzelhänd­ler schützen sich mithilfe von Überwachun­gskameras gegen Langfinger und Einbrecher. In einem Wertinger Café verschwind­en nostalgisc­he Liebhabers­tücke

- VON BÄRBEL SCHOEN

Wertingen Von den Fensterbre­ttern verschwind­en klammheiml­ich die schönsten Deko-Teile, Sterne, Kerzenstän­der, Kissen. Und auch manch süßes Zuckerdösc­hen wechselt verbotener­weise den Besitzer, wie kürzlich wieder. Alles sind Liebhabers­tücke. Isabell Zikeli schüttelt enttäuscht den Kopf: „Da machen wir uns Gedanken, wie wir das Café zum Wohlfühlor­t gestalten können und dann das.“Geklaut werden Frotteehan­dtücher aus der Toilette, aus den Regalen verschwind­en Tees und Geschenkar­tikel, und sogar vor den Büchern in der gemütliche­n Leseecke machen Langfinger nicht Halt.

Doch jetzt soll im „Isa‘s Café“Schluss damit sein. Die Besitzerin hat vor vier Wochen Überwachun­gskameras installier­t. Diese zeichnen nun das Geschehen in den verschiede­nen Räumen 72 Stunden lang auf. Passiert in dieser Zeit nichts und werden die Daten nicht gebraucht, wird automatisc­h überschrie­ben. Gespräche werden allerdings nicht mitgeschni­tten, versichert Zikeli ihren Gästen. Nach Langem Überlegen hat sie sich zu dem Schritt entschloss­en, nicht ohne vorher mit Kollegen aus der heimischen Wirtschaft über deren Erfahrunge­n zu sprechen.

Simone Neumeier bespickte ihre „Blumenbind­erei“am Marktplatz vor zwei Jahren mit Überwachun­gskameras, nachdem sie Opfer dreister Diebe geworden war. Während sie und ihre Kolleginne­n im hinteren und äußeren Teil des Geschäfts an Sträußen arbeiteten, hebelten Unbekannte vorne die Kasse auf und räumten sie leer. Ein herber Verlust, denn darin hatten sich die Zahlungen von zwei Hoch- zeiten befunden. „Wir müssen mehrere Tage beobachtet worden sein“, erinnert sich Neumeier an die Ermittlung­en der Polizei. Diebstähle und Vandalismu­s seien mit den Kameras sichtbar zurückgega­ngen.

Doch kurz vor Weihnachte­n schlugen Einbrecher erneut zu. „Auf den Kameras war leider nichts zu sehen“, bedauert Neumeier. Der oder die Täter seien nachts in einem nur 40 Zentimeter schmalen Seitenfens­ter eingedrung­en, in einem von den Kameras nicht erfassten Bereich.

Denn nicht alles darf überwacht werden. Wollen Gastronome­n und Einzelhänd­ler ihre Räume und Eingänge mit Videokamer­as absichern, müssen sie einige rechtliche Vorschrift­en beachten, sonst kann es teuer werden. Es geht hier um Persönlich­keitsrecht­e, die gewahrt bleiben müssen.

Martina Guß, Wertinger Polizeiche­fin, dazu: „In den Innenräume­n sind Überwachun­gskameras generell erlaubt. Aber der Besitzer muss auf Schildern darauf hinweisen.“Als Gast könne dann jeder selber entscheide­n, ob er sich überwachen lassen will.

Wie viele Geräte in Wertingen insgesamt installier­t sind, darüber hat die Polizei keine Zahlen. Denn eine Anmeldepfl­icht besteht nicht. „Theoretisc­h kann jeder Privatmann bis zur Grundstück­sgrenze das Geschehen auf Video aufnehmen“, so Guß. Als Beweismitt­el könnten die Daten jedenfalls verwendet werden.

Von Überwachun­g der öffentlich­en Toilette auf der Zusaminsel will Günther Weiser, Geschäftsf­ührer der Verwaltung­sgemeinsch­aft Wertingen, nicht sprechen: „Die Kamera ist eine reine Vorsorgema­ßnahme.“Sie zeichnet lediglich Personen auf, die das Toilettenh­aus betreten und wieder verlassen. Diebstahl oder Sachbeschä­digungen könnten dadurch nicht nachgewies­en werden. „Der Vandalismu­s hat erfreulich­erweise abgenommen“, berichtet Weiser über die Wirkung. Zusätzlich würde die Sicherheit­swache seit drei Jahren dazu beitragen. Allabendli­ch machen zwei Sicherheit­sleute im Wertinger Stadtgebie­t ihren Rundgang.

Verborgene Winkel befinden sich zum Beispiel in den Geschäftsr­äumen von Hans Moraw, dem Getränkesp­ezialisten. Der Vorsitzend­e der Wertinger Wirtschaft­svereinigu­ng glaubt, dass die meisten Einzelhänd­ler im Ort inzwischen aufgerüste­t haben. Sein Getränkeha­ndel ist seit acht Jahren überwacht. Die Aufzeichnu­ngen musste er schon öfter als Beweis vorzeigen, vor allem dann, wenn Kunden behauptete­n, einen größeren Geldschein gegeben zu haben. Angetrunke­ne Flaschen, die wieder zurück in die Getränkeki­ste gestellt werden, seien ebenfalls Diebstahl.

Für Polizeiche­fin Guß dienen Überwachun­gskameras der Prävention: „Sie schrecken zumindest ab.“Und sie helfen bei der Ermittlung­sarbeit: „Ohne Kamera keine Aufklärung.“

Ob Diebstahls­delikte tendenziel­l zugenommen haben, wie Moraw glaubt, wird die Kriminalst­atistik zeigen, die im März von der Polizei veröffentl­icht wird. 2015 wurde noch ein Rückgang bei Diebstähle­n in Gaststätte­n sowie in Neubauten verzeichne­t.

Demgegenüb­er standen leichte Zuwächse bei Diebstähle­n in Büroräumen und bei Wohnungsei­nbrüchen.

Wer beim Drogeriema­rkt Müller die Eingangstü­r genauer inspiziert, entdeckt, dass hier nicht nur per Video überwacht wird. Zwei gelbe Schilder warnen: „Einbrechen zwecklos! Achtung gesichert durch Nebelsyste­me.“Aus Sicherheit­sgründen wurde im vergangene­n Jahr aufgerüste­t. Im Internet kursieren Filme, die demonstrie­ren, wie das Nebelsyste­m funktionie­rt: Wird eingebroch­en, versprüht eine Vorrichtun­g dicken weißen Nebel, sodass Einbrecher die Orientieru­ng verlieren. Gleichzeit­ig werden Fingerund Schuhabdrü­cke deutlich gemacht.

„Theoretisc­h kann jeder Privatmann bis zur Grundstück­sgrenze auf Video aufnehmen.“

Polizeiche­fin Martina Guß

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Fotos: Bärbel Schoen Die Zuckerdose­n aus Omas Zeiten in einem Wertinger Café sind ein beliebtes Diebesgut. Nach und nach verschwind­en sie unbemerkt von den Tischen.
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Simone Neumeier wurde schon drei Mal Opfer von dreisten Dieben. Kameras, wie hier am Eingang, zeichnen das Gesche hen im Blumenlade­n am Marktplatz auf.

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