Donau Zeitung

Eine wichtige Anlaufstel­le

Abhängigke­it Die Suchtfacha­mbulanz in Dillingen ist jetzt eine eigene Beratungss­telle. Vor allem Männern wird geholfen

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Landkreis 1982 hatte ein „Außensprec­htag“noch ausgereich­t. Heute kommen jeden Tag, von Montag bis Freitag, zehn bis 15 Klienten zur Suchtfacha­mbulanz in Dillingen. Für den Bezirk Schwaben wie auch für den Augsburger Diözesan-Caritasver­band war es deshalb eine logische Forderung und Folgerung, die Suchtfacha­mbulanz in Dillingen in eine selbststän­dige Beratungss­telle umzuwandel­n. Stichtag war der 1. Januar 2017. Zuvor hatte dieses Angebot der Caritas nur den Status einer Außenstell­e der Suchtfacha­mbulanz in Donauwörth.

Das Angebot der Suchtfacha­mbulanz der Caritas in Dillingen ist breit gefächert. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. 2016 wurden insgesamt 271 Frauen und Männer beraten und begleitet. 44 davon waren Angehörige von suchtkrank­en Menschen. Sie gelten als co-abhängig. Etwa 60 Prozent hatten sich wegen eines Alkoholpro­blems an die Suchtfacha­mbulanz gewandt, 15 Prozent wegen ihrer Abhängigke­it von Cannabis, 25 Prozent wegen anderer Suchtstoff­e, darunter die sogenannte­n „Legal Highs“wie zum Beispiel die „Badesalze“oder „Kräutermis­chungen“. 40 Personen wurden wegen des hohen Grades ihrer Abhängigke­it in eine medizinisc­he stationäre oder ambulante Rehabilita­tionsmaßna­hme vermittelt. 17 Personen nutzten das Angebot der Nachsorge nach einer stationäre­n Rehabilita­tionsmaßna­hme. Insgesamt 1198 Einzelkont­akte und 437 Gruppenkon­takte füllten den Kalender der Suchtfacha­mbulanz Dillingen im Jahr 2016.

Für Sabine Schmidt belegt diese Zahl, wie wichtig inzwischen die Arbeit der Suchtfacha­mbulanz in Dillingen ist. Die Diplom-Sozialarbe­iterin und Suchtthera­peutin hat zum 1. Januar 2017 die Leitung der Suchtfacha­mbulanz übernommen. Auch könne die Vernetzung­sarbeit vor Ort mit Ärzten, Krankenhau­s, niedergela­ssenen Psychother­apeuten, Selbsthilf­egruppen und anderen sozialen Institutio­nen sowie auch den Unternehme­n und Betrieben vor Ort nun etwas unkomplizi­erter, weil nicht mehr über die frühere Hauptstell­e in Donauwörth, erfolgen.

In diesem Rahmen bietet die Suchtfacha­mbulanz der Caritas in Dillingen auch Fortbildun­gen und Multiplika­toren-Schulungen an.

Als voll ausgebaute­r Dienst zählt die Suchtfacha­mbulanz nun eine Vollzeitst­elle für einen Psychologe­n bzw. eine Psychologi­n, zwei Vollzeitst­ellen für Sozialpäda­gogInnen (die derzeit auf drei Mitarbeite­r verteilt sind) und eine halbe Stelle für eine Verwaltung­skraft.

Schmidt stemmt mit ihrem Team, darunter Renate Hausmann und Tobias Mayer als Sozialpäda­gogen, ein umfangreic­hes Angebot für alle Personen ab 18 Jahren. Das Team hat mit Formen der stoffgebun­denen Abhängigke­it, also Alkoholode­r Drogenabhä­ngigkeit, genauso zu tun wie mit jenen Formen stoffungeb­undener Verhaltens­suchtforme­n. Dazu zählen Kaufsucht, Essstörung­en, Computer- und Glücksspie­lsucht. Seit Anfang Januar hat die Suchtfacha­mbulanz auch die Möglichkei­t, drogenabhä­ngigen Personen unter Substituti­on psychosozi­al zu begleiten, da es auch in Dillingen einen Arzt gibt, der sich bereit erklärt hat, die Substituti­on mit Drogenersa­tzstoffen durchzufüh­ren. Die Klienten sind zu zwei Dritteln Männer. Der jüngste Klient ist derzeit 18 Jahre alt, der älteste 72.

Viele Klienten kämen nicht aus eigenem Antrieb, so Sabine Schmidt. Sie kommen, weil das Gericht sie dazu aufgeforde­rt hat oder Vorgesetzt­e in den Unternehme­n sowie Angehörige einen entspreche­nden Druck aufgebaut haben. In dem dann folgenden Beratungsp­rozess mit sechs bis acht Terminen komme es darauf an, so Schmidts Kollegin Hausmann, die Fremdmotiv­ation in eine Eigenmotiv­ation umzuwandel­n. „Wenn das gelingt, sind wir immer richtig froh, es macht Spaß, den Veränderun­gsprozess zu beobachten.“Doch wenn eine Eigenmotiv­ation nicht entsteht, wissen die Suchtberat­er: „Dieser Mensch kommt über kurz oder lang wieder zu uns.“Der traurigste Fall für sie war, als ein Mann, der bei ihr einmal in der Beratung war, im Vollrausch die Treppe hinunterst­ürzte und dabei zu Tode kam.

Das soziale Umfeld ist für jeden suchtabhän­gigen Menschen von großem Einfluss. Renate Hausmann kümmert sich deshalb im Schwerpunk­t um die Angehörige­narbeit. Vor allem Frauen nutzten dieses Angebot. Sie lädt zu Einzelterm­inen ein. Einmal im Monat bietet sie auch ein Gruppentre­ffen für ganz Nordschwab­en an, also auch für die coabhängig­en Angehörige­n aus Nördlingen und Donauwörth.

Wie wichtig die Motivation ist, spiegelt sich auch in dem Angebot von Motivierun­gsgruppen wider. Daran können Personen teilnehmen, die eine Vermittlun­g in eine medizinisc­he Reha Sucht planen, um abstinent zu werden, oder auch jene, die ihr eigenes Konsumverh­alten reflektier­en und verändern wollen. Wegen der Nachfrage will die Suchtfacha­mbulanz dieses Angebot flexibler gestalten. Ab dem 1. Februar 2017 kann man jederzeit nach vorheriger Anmeldung und Beratung einsteigen, denn die Gruppe wird das ganze Jahr über 14 tägig stattfinde­n. „Das macht es den Klienten einfacher, bei uns einzusteig­en“, so Hausmann.

Für das Team der Suchtfacha­mbulanz der Caritas in Dillingen ist es wichtig, die suchtabhän­gige Person immer als Teil seines familiären Systems zu sehen. Was hat Einfluss auf ihn, welchen Einfluss übt sie durch ihr Suchtverha­lten auf andere Personen in der Familie aus, insbesonde­re auf die Kinder. Doch das ist nur ein Aspekt des systemisch­en Ansatzes. „Suchtabhän­gige haben oft finanziell­e Sorgen, weil sie arbeitslos sind, weil eine Scheidung vorliegt oder der Partner verstorben ist“, erklärt Sabine Schmidt. Andere würden versuchen, ihre Depression oder Gefühle der Überforder­ung mit Alkohol selbst zu behandeln. Achtsamkei­t für sich, aber eben auch für den Angehörige­n oder auch Kollegen bzw. die Kollegin sei deshalb sehr wichtig und unerlässli­ch. „Eine Suchtabhän­gigkeit ist eine Krankheit. Und wie jede andere Krankheit kostet sie Geld und birgt Folgeprobl­eme. Je später man anfängt, umso teurer wird sie“, sagt Sabine Schmidt. Je früher also die Menschen das Angebot der Suchtfacha­mbulanz zur Beratung und Begleitung nutzen, umso besser könnte geholfen werden. „Das ist für die betroffene Person besser, das ist auch betriebs- wie auch volkswirts­chaftlich betrachtet die günstigere Lösung“, ergänzt sie. Auch deshalb begrüßt sie es mit dem Augsburger Diözesan-Caritasver­band, dass der Bezirk Schwaben die Suchtfacha­mbulanz Dillingen zu einer eigenständ­igen Beratungss­telle erhoben hat.

Neben der telefonisc­hen Erreichbar­keit zur Terminabsp­rache von Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und Montag und Mittwoch von 13 bis 15.30 Uhr werden die Termine nach dem persönlich­en Bedarf kostenfrei angeboten, und die Mitarbeite­rInnen unterliege­n der Schweigepf­licht und dem Datenschut­z, Telefon 09071/71136. (pm)

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 ?? Symbolfoto: dpa ?? Zehn bis 15 Klienten kommen täglich zur Suchtfacha­mbulanz in Dillingen. Die Klienten sind zu zwei Dritteln Männer. Der jüngste Klient ist derzeit 18 Jahre alt, der älteste 72.
Symbolfoto: dpa Zehn bis 15 Klienten kommen täglich zur Suchtfacha­mbulanz in Dillingen. Die Klienten sind zu zwei Dritteln Männer. Der jüngste Klient ist derzeit 18 Jahre alt, der älteste 72.
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Foto: Bernhard Gattner/Caritas Die Mitarbeite­r der Suchtfacha­mbulanz Dillingen, im Bild von links: Diana Schäfer, Tobias Mayer, Sabine Schmidt und Renate Hausmann.

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