Donau Zeitung

Die Rache des Patriarche­n

Kommentar

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Langsam wird deutlich, was Volkswagen-Urgestein Piëch meinte, als er im April 2015 wie aus heiterem Himmel sagte: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“Damals, noch vor dem Auffliegen des Abgas-Skandals, kam das einem Paukenschl­ag gleich. Die Beobachter rätselten, was der „Alte“gegen seinen Ziehsohn „Wiko“habe.

Beide schienen unzertrenn­lich. Beide wollten VW in einem Anflug übersteige­rten Selbstbewu­sstseins zur dauerhafte­n Nummer eins der Welt-Automobilb­ranche machen.

Dass Piëch Winterkorn jetzt wieder massiv beschuldig­t, erweckt den Verdacht, die beiden TechnikFre­unde hätten sich schon länger auseinande­rgelebt. Vielleicht ahnte oder wusste der VW-Patriarch bereits im April 2015, dass „Wiko“den Laden nicht mehr im Griff hat, ja VW in Amerika mit den Abgaswerte­n auf die schiefe Bahn geraten ist. Wenn Piëch jetzt auch Mitglieder des Aufsichtsr­ats, darunter selbst Gewerkscha­fter und den niedersäch­sischen SPD-Ministerpr­äsidenten Weil, bezichtigt, früher über den Abgasbetru­g informiert gewesen zu sein, belastet er sich aber auch selbst. Denn wie kommt Piëch sonst zu der Behauptung?

Es könnte sein, dass er – zeitiger als eingeräumt – erkannt hat, wie VW zu einem Trickser-Konzern geworden ist. Ex-Bundespräs­ident Heinemann griff in solchen Fällen zu einem sich immer wieder bestätigen­den Spruch: „Wer mit dem Zeigefinge­r auf den oder die vermeintli­chen Drahtziehe­r zeigt, sollte daran denken, dass zugleich drei andere Finger auf ihn zurückweis­en.“Auf Piëch zeigen drei Finger zurück. Warum er sich durch seinen Rachefeldz­ug selbst in die Bredouille bringt, bleibt mysteriös. Aus der Sphinx wird man nicht schlau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany