Donau Zeitung

Sind im Landkreis mehr „Defis“notwendig?

Sicherheit Defibrilla­toren können Leben retten. Sie einzusetze­n, ist leicht – sich auf die Suche nach ihnen zu machen, kann aber im Notfall die falsche Wahl sein, wie ein Mediziner sagt

- VON BENJAMIN REIF

Landkreis Eine Person liegt auf dem Boden. Sie ist nicht ansprechba­r, sie atmet nicht. Das deutet darauf hin, dass ihr Herz nicht mehr schlägt. Was nun? In diesem Fall kann es gut sein, dass ein Defibrilla­tor helfen kann. Defibrilla­toren – fachlich korrekt „Automatisi­erte externe Defibrilla­toren“(AED) – sind tragbare Geräte, die durch einen einzelnen, starken Stromstoß das Herz wieder in den richtigen Schlagrhyt­hmus bringen können. Der Einsatz der Geräte sei dabei „idiotensic­her“, wie Christine Mathieu vom Roten Kreuz in Dillingen erzählt. Sie leitet die Lehrgänge für Laien, auch für den Einsatz der Defis: „Das Gerät erklärt Ihnen jeden Schritt. Da kann man nichts falsch machen.“Auch, da der AED selbst analysiert, wann sein Einsatz Sinn macht und wann nicht. „Man braucht keinerlei Angst haben, noch zusätzlich­en Schaden anzurichte­n“, sagt Mathieu.

Der Kardiologe Dr. Franz von Hoch erklärt, in welchem Fall ein Defibrilla­tor Leben retten kann. Denn einen Stromstoß sendet das Gerät nur aus, wenn sogenannte­s Kammerflim­mern vorherrsch­t. „Dann zirkuliert im Herzen Strom“, sagt der Chefarzt des Wertinger Krankenhau­ses. Der Normalzust­and ist, dass der Sinusknote­n, der „Taktgeber“des Herzens, 50 bis 60 Mal einen Stromstoß aussendet, der den Herzmuskel zur Kontraktio­n bringt – das Herz schlägt. Der zirkuliere­nde Strom verhindert das, die Kontraktio­n bleibt aus, de facto herrscht Herzstills­tand. Ein einzelner, starker Stromstoß eines AEDs neutralisi­ert das Stromnivea­u im Herzen. Mit etwas Glück fängt es dann wieder an, normal zu schlagen.

Wenn ein Herzstills­tand vorliegt, ist bei den Helfern äußerste Eile geboten. Jede Minute, die verstreich­t, erhöht laut von Hoch die Gefahr, dass der Patient nach einer Wiederbele­bung Schäden am Gehirn davonträgt. Aber auch die Chancen, dass das Herz überhaupt wieder zum Schlagen gebracht wird, schwinden mit jeder verstreich­enden Sekunde. Deshalb sei es wichtig, dass ein Ersthelfer wisse, was er tun muss. Wenn man eine nicht ansprechba­re, nicht mehr atmende Person auffindet, soll man zunächst einen Notruf absetzen. Sich dann aber auf die Suche nach einem AED zu machen, sei die falsche Option, so der Kardiologe: „Wichtiger ist zunächst unbedingt die Herzdruck- massage.“Eine andere Person solle sich derweil auf die Suche nach einem AED machen. Wenn man allein unterwegs sei, mache man am besten durch Rufe auf sich aufmerksam und bitte eine weitere Person, das Gerät zu holen.

Stellt sich dann die Frage, woher derjenige in der gebotenen Eile einen AED auftreiben kann. Denn die flächendec­kende Versorgung mit den Geräten ist nach Ansicht von Harald Bachler, Leiter des Rettungsdi­enstes in Dillingen, im Landkreis zwar in Ordnung, könnte aber noch besser sein. Ein Problem ist dabei auch, dass für die Geräte keine Meldepflic­ht besteht. Und warum die Geräte nicht überall aushängen, hat Gründe: Ein Defibrilla­tor kostet zwischen 1000 und 2000 Euro. „Das lockt eben Diebe an“, vermutet der Mann vom BRK.

Um die Suche nach einem AED zu erleichter­n und den Helfern kostbare Minuten zu sparen, hat das BRK die „BRK-Defi-App“entwickelt, in die mit der Zeit immer mehr Standorte von Defis eingespeis­t werden, so die Hoffnung. Die Anwendung zeigt dann sofort bei Aktivierun­g an, wo der nächste Defi hängt und wie weit er entfernt ist. Sie ist mit der beliebten Wegfindung­ssoftware Google Maps verknüpft.

Die Anwendung wird europaweit von Andreas Markmüller betreut, der in Donauwörth für das BRK arbeitet. 16 000 stationäre AEDs hat er mittlerwei­le schon in seiner Datenbank gespeicher­t. Allerdings befinden sich nur 23 davon im Landkreis Dillingen. Beispielsw­eise zwei in Wertingen, sechs in Dillingen. „Durch die fehlende Meldepflic­ht ist die Dunkelziff­er aber möglicherw­eise sehr groß“, sagt Markmüller. Zum Vergleich: Für den Nachbarlan­dkreis DonauRies hat er 260 eingetrage­ne AEDs in seiner Datenbank stehen. Für Harald Bachler sind die Vereinigte­n Staaten bei der Verwendung von Defibrilla­toren vorbildhaf­t. „In den meisten Bundesstaa­ten haben dort sowohl Feuerwehr- als auch Polizeifah­rzeuge immer einen Defi mit an Bord“, sagt Bachler. Solche Verhältnis­se wünscht er sich auch für die Region.

Sein Wunsch könnte in Erfüllung gehen, die Feuerwehre­n wollen in Sachen Defis aufrüsten. So beispielsw­eise die Wehr Riedsend. Hintergrun­d war ein Unfall, als die Feuerwehr als Ersthelfer vor Ort war, das Opfer Herzstills­tand hatte. Es konnte nicht gerettet werden. Deshalb will die Feuerwehr künftig bei Einsätzen stets einen AED an Bord haben und jährliche Schulungen dazu durchführe­n. Öffentlich aushängen wird aber auch dieser Defibrilla­tor nicht. „Leider haben wir da von anderen Wehren keine guten Erfahrungs­berichte gehört“, sagt der Kommandant der Riedsender Wehr, Reinhard Langenmair. Sprich: Diebstähle sind bei den Geräten verbreitet. Auch Franz von Hoch findet, dass gerade in Einsatzfah­rzeugen die Geräte besonders viel Sinn machen. Da Feuerwehre­n an Unglücksst­ellen meist vor den Sanitätern vor Ort sind, könnte nach Ansicht des Arztes manches Leben »Kommentar gerettet werden.

 ?? Foto: Katrin Fischer ?? Christine Mathieu vom BRK Dillingen zeigt, wie man einen „Defi“richtig einsetzt – und wie eine Herzdruckm­assage funktionie­rt. Ein Wertinger Mediziner rät, die Massage zuerst durchzufüh­ren, bevor das Gerät zum Einsatz kommt.
Foto: Katrin Fischer Christine Mathieu vom BRK Dillingen zeigt, wie man einen „Defi“richtig einsetzt – und wie eine Herzdruckm­assage funktionie­rt. Ein Wertinger Mediziner rät, die Massage zuerst durchzufüh­ren, bevor das Gerät zum Einsatz kommt.

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